Seit zehn Jahren beschäftigt sich der Volkswirt und Filmemacher Christian Tod mit dem Thema Grundeinkommen. Nun hat er in der Dokumentation Free Lunch Society den neuesten Entwicklungen nachgespürt und ist sich sicher: Das Grundeinkommen kommt bald und es wird unsere Gesellschaft auf den Kopf stellen. Wir haben ihn getroffen und mit ihm über Arbeitsfetisch, “Bullshit”-Jobs und die Rolle des Silicon-Valley gesprochen.
Du hast dich mehrere Jahre mit dem Thema Grundeinkommen befasst. Nun ist dein Film fertig. Was konntest du in dieser Zeit beobachten?
Ich habe vor über zehn Jahren begonnen, mich im Rahmen meiner Diplomarbeit mit Grundeinkommen zu beschäftigen. Damals war das noch ein wahnsinnig exotisches Thema. Viele hatten große Vorbehalte. Seit diesem Jahr gibt es kaum mehr eine Woche, in der das Thema in der medialen Berichterstattung nicht erwähnt wird. Meistens wird im Zuge der Automatisierungsdebatte darüber gesprochen. Es ist an der Zeit, über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen, denn in naher Zukunft werden immer weniger Jobs zur Verfügung stehen, weil immer weniger Jobs von Menschen erledigt werden. Hier kommt das Bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel.
In deinem Film besuchst du Pilotprojekte aus der ganzen Welt. Was meinst du, werden wir die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens noch erleben?
Meine Prognose ist, dass das Grundeinkommen in den nächsten 5 Jahren eingeführt wird. Die Frage ist nur wo. Ob es überhaupt auf nationaler Ebene eingeführt werden wird oder vielleicht regional, das weiß ich nicht. Vielleicht wird es sogar einfach ein kleines Grundeinkommen auf EU-Ebene geben. Das sind alles verschiedene Szenarien, die denkbar sind. Was wir ja sehen ist, dass weltweit zahlreiche Feldversuche durchgeführt werden.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass der erste Impuls zu einer wirklichen Einführung aus den USA kommen wird. Zum Beispiel aus dem Silicon Valley in Kalifornien. Vielleicht wird Kalifornien der erste Bundesstaat mit Grundeinkommen sein. Letztens habe ich sogar gelesen, dass Hillary Clinton in ihren Memoiren schreibt, sie bereue, das Grundeinkommen nicht als Wahlkampfthema eingebracht zu haben.
Angenommen das Grundeinkommen kommt. Was würdest du als studierter Volkswirt sagen: Verändert sich dann unser Arbeitsmarkt?
In unser Berichterstattung dreht sich viel um Arbeit. Arbeit ist für uns als Gesellschaft ein Wert an sich. Arbeit ist quasi zur Religion geworden. Wir hinterfragen gar nicht, warum wir arbeiten. Für uns ist ganz klar: Wir haben zu arbeiten. Egal ob unsere Arbeit sinnvoll ist oder nicht. David Graeber von der London School of Economics hat dazu einen interessanten Begriff geprägt. Den der “Bullshit-Jobs”. Zu denen zählt er 30-40 Prozent aller Jobs in Großbritannien. Für ihn sind es Jobs, die entweder keinen Nutzen für die Gesellschaft und Wirtschaft haben oder sogar destruktiv sind.
Eigentlich wurde ja prognostiziert, dass wir heute viel weniger Stunden arbeiten als wir es aktuell tun. Doch dann wurden diese sogenannten Bullshit-Jobs erfunden.
Mit dem Grundeinkommen wird es passieren, dass Arbeit wieder einen wirklichen Sinn hat. Die Menschen werden Muße und Zeit haben, sich ihrer Talente zu besinnen und dann einer Arbeit nachzugehen, die sie erfüllt und die dann wahrscheinlich auch der Gesellschaft mehr bringt. Wir werden durch das Grundeinkommen sehen, dass es wieder eine gesteigerte Effizienz in der Wirtschaft gibt. Es wird zu einer optimaleren Allokation der Ressourcen kommen, wie ein Volkswirt sagt. Ein richtiger Markt könnte entstehen. Und die ganzen Marktverzerrungen, Externalitäten und Marktfehler würden der Vergangenheit angehören.
Gab es während des Drehs einen Zeitpunkt, an dem du an dem Konzept des Grundeinkommens gezweifelt hast?
Nein, ich habe tatsächlich nie gezweifelt. Das Einzige, was mir in letzter Zeit etwas Sorge macht, ist die Frage, welche Art von Grundeinkommen wir bekommen werden. Kriegen wir ein Grundeinkommen von 500 Euro bei gleichzeitiger Abschaffung des Sozialstaats oder ein Grundeinkommen, was uns wirklich gut absichert. Es ist wichtig, dass wir jetzt darüber diskutieren. Denn das Grundeinkommen kommt definitiv und wir als Bürger müssen vorbereitet sein, damit wir nicht auf einmal mit einer Sparmodell-Variante überrascht werden.
So kannst du den Film sehen
Am 1. Februar findet die Premiere von Christian Tods “Free Lunch Society” statt. Wir bringen den Film gemeinsam mit euch, der Crowd, in die Kinos. In jeder Stadt, in der mindestens 25 Kinokarten reserviert werden, sorgen wir für eine Filmvorführung. Später wird der Film online On-Demand zu streamen sein. Hier gibt es eine Übersicht.