Diese zwei Menschen vereinen das gesamte Spektrum unserer 1.000 Gewinner*innen. Das Vergangene und die Zukunft. Christoph probierte vor sieben Jahren als zweiter Gewinner überhaupt, was das Grundeinkommen mit uns macht. Julians Grundeinkommensjahr hat gerade erst begonnen. Was rät der alte Hase dem Neuling? Und was verraten uns diese beiden Perspektiven über zwölf ganz besondere Monate?
Am liebsten hätten wir natürlich, dass alle Menschen ihr Leben lang mit Bedingungslosem Grundeinkommen versorgt wären. Bis es soweit ist, gibt es für unsere fast 1.000 Gewinner*innen noch ein “vor” , “während” und “nach dem Grundeinkommen.” Wie sich die Grundeinkommens-Erfahrung in diesen Abschnitten verändert, haben wir zwei Menschen gefragt, die es wissen müssen.
Unterschiedlicher könnten ihre Blickwinkel nicht sein: Christoph gewann sein Grundeinkommen in der ersten Verlosung der Mein Grundeinkommen-Geschichte im September 2014. Seine Erfahrung liegt fast sieben Jahre zurück. Auf der anderen Seite des Spektrums steht Julian: Er startet in diesen Tagen in sein persönliches Grundeinkommensjahr. Als 998. Gewinner hat er diese aufregende Zeit noch vor sich.
Verdammt lang her
Als wir Christoph an einem grauen Tag in einem Park in Monheim am Rhein treffen, braucht es nicht lange, bis unser Gespräch bei der Zeit seines Gewinns vor sieben Jahren ankommt. Von seinen Brüdern, die gespendet hatten, hörte er damals von unserer Verlosung und meldete sich ohne große Hoffnung an. Als seine heutige Frau ihm kurz danach erklärte, dass es sich beim Gewinner nicht zufällig um jemanden mit dem selben Vornamen handelt, konnte er es kaum glauben.
An das ungläubige Gefühl, das der Gewinn bei ihm auslöste, erinnert er sich auch heute noch gut. Und auch der Brief, den er uns damals schreibt, ist ein lebhaftes Dokument dieser Zeit. Schon damals ahnt Christoph, was das Grundeinkommen ihm ermöglichen würde, aber schlussendlich wird aus der geplanten Ausbildung als Erzieher, von der er uns schreibt, ein Studium der Kinderpädagogik.
Ein Jahr mit Folgen
Es ist vor allem diese Entscheidung, die ihm das Grundeinkommen ermöglicht, und die bis heute nachwirkt. Den Weg, den er mit einer kaufmännischen Ausbildung und seinem Job im Call Center aus sicherheitsorientierten Gründen zuvor eingeschlagen hatte, kann er so nochmal verlassen und im sozialen Bereich Fuß fassen, der ihn von Anfang an mehr interessierte. Heute sagt er: “Ich mach meinen neuen Job gerne und ich habe das Gefühl, dass ich damit etwas bewirken kann. Das hatte ich vorher nicht.”
Aber da gibt es noch zwei andere Dinge, die die Grundeinkommenserfahrung langfristig für Christoph verändern: Mit dem abnehmenden Stress lassen auch die Symptome seiner Morbus Crohn-Erkrankung nach – was bis heute so geblieben ist. “Mir haben auch die Ärzt*innen gespiegelt: Das ist total erstaunlich.”
Ähnlich stark wiegt ein Umdenken Christophs Kopf: “Sich Freiheit zu erlauben und zu nehmen. Das ist für mich geblieben und ein viel größeres Geschenk als die 12.000 Euro. Und das bestärkt mich noch immer.”
Einer von 1.000
Auf die Frage, ob es ihm etwas bedeute, der zweite Gewinner der Mein Grundeinkommen-Geschichte zu sein, wiegelt Christoph zunächst ab: “Das wird meist von anderen als etwas Besonderes wahrgenommen. Aber für mich macht es keinen Unterschied, der wie vielte ich bin und wann ich diese Erfahrung gemacht habe.” Er hoffe einfach, dass sich andere an seiner Geschichte erfreuen können.
Als wir darauf zu sprechen kommen, dass er bald zu einer Gruppe von 1.000 Menschen mit Grundeinkommenserfahrung gehört, sieht die Sache für ihn schon anders aus. Die Menge an Leuten wäre für ihn lange nicht greifbar gewesen, erzählt Christoph. Ein besuchtes Grundeinkommens-Gewinner*innen-Treffen führt ihm dann aber vor Augen, dass er seine Erlebnisse mit vielen anderen teilt.
“Es war vor allem sehr bewegend, dass alle dieselben Erfahrungen gemacht haben, obwohl es so unterschiedlich war. Alle haben ganz ähnliche Effekte bemerkt: Sind gesünder geworden. Haben sich freier gefühlt. Haben Lust gehabt, Sachen zu machen und auszuprobieren. Ich vermute, dass das bei fast jedem der 1.000 so sein wird und auch die, die noch kommen, ähnliche Erfahrungen haben werden. Das ist wunderschön und das macht mich jetzt noch ziemlich rührselig, wenn ich drüber nachdenke.”
Als wir Christoph am Ende noch fragen, was er einem frisch gebackenen Gewinner mit auf den Weg geben würde, antwortet er: “Genießen! Sich zu der finanziellen Freiheit auch eine Freiheit des Kopfes zu gönnen.” Schlussendlich sei das Grundeinkommen aber natürlich ein ideales Selbstexperiment, bei dem sich jeder selbst besser kennenlernen und seine eigenen schönen Erfahrungen machen könne.
Frisch gestartet
Mit dem Genießen tut sich Julian noch etwas schwer. Wir treffen ihn in seiner Mittagspause. Der 28-Jährige freut sich zwar über seinen kürzlichen Gewinn, aber gleichzeitig hadert er damit, dass gerade er vom Glück geküsst wurde. Schließlich gäbe es doch Menschen, die es viel besser gebrauchen könnten als er.
Diese Bedenken haben wir zwar schon von einigen Gewinner*innen gehört, aber bei Julian scheinen sie davon verstärkt zu werden, dass er die Lebensrealität solcher Menschen aus erster Hand kennt: Während seines Studiums engagiert er sich nicht nur parteipolitisch, sondern auch in der Flüchtlingshilfe.
“Ich hätte mich in diesem sozialen Bereich gerne noch viel mehr engagiert und oft lieber etwas gesellschaftlich Sinnstiftendes getan. Aber bei den Praktika musste ich dann auch oft gucken, wo ich etwas verdiene. Deshalb war das oft finanziell nicht möglich. Dann hätte ich mir Geld irgendwo leihen müssen und ich wollte mich auch nicht verschulden in der Zeit.”
Von seinem nun beginnenden Grundeinkommensjahr verspricht er sich deshalb vor allem die Möglichkeit seine Entscheidungen mit mehr Freiheit zu treffen und sein Wohlbefinden dabei in den Vordergrund stellen zu können.
Ein paar Projekte, bei denen er sich darin üben will, hat er auch schon: Zum einen steht ein Umzug mit seiner Freundin bevor, bei dem er seine Tendenz zur Sparsamkeit mal etwas weniger streng sehen will. Zum anderen erlaubt seine Arbeit ihm, einen Monat unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ohne das Grundeinkommen hätte er sich das finanziell nicht leisten können, aber jetzt will er diese angebotene Freiheit auch annehmen.
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Was wird sich wohl ändern?
Ob er glaubt, dass die Grundeinkommenserfahrung etwas nachhaltig verändern werde, fragen wir ihn. “Naja”, antwortet Julian, “das Grundeinkommen wird mir bestimmt psychische Sicherheit geben. Nächstes Jahr fällt es natürlich wieder weg, aber ich nehme grundsätzlich an, dass ich aus diesem Jahr entspannter rausgehe und weniger Stress anhäufen werde als ich es ohne Grundeinkommen getan hätte.”
Mit dem Zurücklegen eines Teil des Grundeinkommens will Julian sich außerdem eine Zukunft ermöglichen, in der er nicht darauf angewiesen ist, aus finanziellem Druck den nächstbesten Job annehmen zu müssen. “Ich will sagen können: Ich nehme jetzt wirklich einen Job, den ich machen will.” Wir müssen an Christoph denken und nicken.
Als wir Julian fragen, ob er auch etwas befürchtet, wenn er auf die nächsten zwölf Monate guckt, wird er nachdenklich. “Ich könnte mir vorstellen, dass man sich zu sehr an das Geld gewöhnt und die Sicherheit wegfällt, wenn das Jahr endet. Deswegen ist das Grundeinkommen ja auch als politisches Konzept so wertvoll, weil es den Menschen nicht nur mit einer tickenden Zeituhr Sicherheit gibt, sondern grundsätzliche Sicherheit und Freiheit im Leben schafft.”
Wir stimmen ihm zu und verabschieden uns von Julian, denn seine Mittagspause ist gleich vorbei. Im Anschluss fällt uns aber noch ein Satz von Christoph ein, den wir ihm gerne mitgegeben hätten: “Klar, ich war etwas wehmütig als mein Grundeinkommensjahr endete, aber im Wesentlichen war ich dankbarer, dass es etwas geändert hat. Das war mir wichtiger.”
Aufgezeichnet von Malina Günzel
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