Leonie hat in unserer Sonder-Verlosung ein sechsmonatiges Grundeinkommen gewonnen. Durch die Coronakrise kann sie neben ihrem Studium zunächst nicht mehr arbeiten. Der Gewinn ist ein Auf und Ab der Gefühle, plötzlich muss sie sich finanziellen Wahrheiten stellen. Hier hat Leonie sieben Wochen lang einen Einblick in ihr Tagebuch gewährt und uns von ihren Träumen und dem Alltag mit Grundeinkommen erzählt.
Die neuesten Einträge aus Leonies Grundeinkommens-Tagebuch – Stand: 18. Juni 2020
Tag 51: Erkenntnisse zum Ende
Es ist seltsam zu wissen, dass dies der letzte Eintrag ist und ich gerate schon zu der Überlegung den Lesern zu danken – bis ich mir wieder bewusst mache, wie sehr mich die Veröffentlichung im Schreiben beeinflusst hat: Mein Tagebuch ist zu Blogbeiträgen mutiert. Um diese Erkenntnis und die ersten 1.000 Euro hat mich das Grundeinkommen ohne Frage bereichert.
Ich frage mich, wo die Zeit hin rennt: Ziellos arbeite ich mich von Projekt zu Projekt und übe mich in thematischen Weitsprüngen – ohne Halt zu machen und tiefer einsteigen zu können. Geplagt vom Gefühl für das Geld, das ich bekomme(n werde), nicht in der Weise arbeiten zu können, wie ich es gerne tun würde, sehe ich das Ende meines Studiums immer näher kommen.
Ich bin froh über die Luft, die mir das Grundeinkommen verschafft und finde mich trotzdem vor der gleichen Frage wieder: An welcher Stelle kann ich mit meiner Ausbildung zur Produktdesignerin einen sinnvollen Beitrag leisten, ohne mich selbst zu verkaufen? Während meine eigenen Ansprüche nach einer Selbstständigkeit schreien, verpasst mir die Realität einen Schlag auf den Hinterkopf und die Existenzangst presst mir die Hand auf den Mund.
Nach wie vor bin ich absolut überzeugt von der Sinnhaftigkeit des sozialen Experiments Mein Grundeinkommen und von dem Modell eines tatsächlich bedingungslosen Grundeinkommens für alle.
In meinem Fall bewirkt das sechsmonatige Grundeinkommen zunächst, dass meine Rücklagen aufgestockt werden und eine finanzielle Unabhängigkeit für den Rest meines Studiums besteht. Es bietet eine vorübergehende Grundsicherung, die einen äußerst guten Vorgeschmack auf die Möglichkeiten gibt, die ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle eröffnen würde – zunächst individuell und dann gesellschaftlich.
Alle bisherigen Einträge aus Leonies Grundeinkommens-Tagebuch
Tag 1: Der Gewinn und der Boden der Tatsachen
Seb stürmt aufgeregt zur Wohnungstür herein: "Schau in deine Mails! Ich hab ein Grundeinkommen gewonnen." Tatsache! Wir haben beide jeweils ein sechsmonatiges Grundeinkommen gewonnen. Ich starre auf den Bildschirm. Klar hat man irgendwie daran geglaubt, dass es irgendwann klappt, aber echt jetzt?
Wir freuen uns riesig und spinnen Pläne, das Geld in ein Grundstück zu investieren, das wir dann langfristig nach Maßstäben der Permakultur bewirtschaften könnten. Selbstversorgung Level 1. Wir träumen von Konzepten der Solidarischen Landwirtschaft, Pachtparzellen und einen Bereich, der für Festivals zur Verfügung gestellt werden kann.
Die Idee eines Freundes unterstützen, Nachbarschaftsfeste und Workshops für alle Generationen, abends Party ohne Drogen.
Eine Website könnten wir uns professionell anlegen lassen, auf der wir uns und unsere gestalterischen Arbeiten präsentieren könnten und ich überlege, zusätzlich einen Blog zu starten.
Ich rufe meine Mutter an, die mich in meinem letzten Studiensemester nach wie vor finanziell unterstützt. Mittlerweile mit 500 Euro im Monat. Hinzu kommen meine 300 Euro Halbwaisenrente, die ich bis zum Prüfungsdatum meiner Diplomarbeit bekomme. Ihre Reaktion ist nach freudigem "Ihr seid wirklich Glückspilze"-Rufen sachlich und unromantisch.
Meine Rente wird vermutlich nicht weiter fließen, ich soll mich schleunigst schlau machen und sie braucht mich dann ja nicht mehr zu unterstützen. Ich merke, wie die 6.000 Euro reinen Zukunftsinvestitions-Budgets ganz rasch auf 1.000 Euro zusammenschrumpfen.
"Nicht mehr abhängig sein. Sich für das restliche Geld nicht mehr rechtfertigen müssen." Foto: privat
Von meinen 800 Euro, die ich derzeit monatlich zur Verfügung habe, bleibt mir nichts zum Zurücklegen. Mein Nebenjob, der nur sporadisch alle paar Monate 320 Euro einbringt, ist wegen der Coronakrise auf Eis gelegt. Meine gerade erst aufgenommene Selbstständigkeit ist finanziell nicht der Rede wert.
Meiner Schwester gegenüber wäre es ungerecht, würde sie mich weiter finanzieren, sagt meine Mutter. Sie will die Bafög-Schulden meiner Schwester zurückzahlen. Außerdem hätte ich dann monatlich mehr Geld zur Verfügung als sie selbst. Das ginge für sie nicht, sie muss schließlich auch Abstriche machen und müsse nachdenken.
Enttäuscht stehe ich heulend in der Küche. Ich bin eine egoistische Tochter und Schwester, weil ich davon ausgegangen war, dass ich weiter finanziert werde.So bedingungslos scheint mir das Grundeinkommen plötzlich nicht mehr.Scheiß drauf.
Nicht mehr abhängig sein. Sich für das restliche Geld nicht mehr rechtfertigen müssen.
Tag 2: Der Gewinn löst eine Kettenreaktion aus
Ein Anruf bei der Rentenkasse genügt, die Halbwaisenrente ist seit ein paar Jahren einkommensunabhängig. Puh! Ich lese, dass Bafög und Arbeitslosengeld beim Gewinn gekürzt werden oder sogar ganz wegfallen. Meine Mutter hat Recht.
Was wenn ich das Grundeinkommen ein halbes Jahr später gewonnen hätte? Hinfällig.
Ich lege die Rechnung um und mache mir bewusst, dass die wegfallenden 2.500 Euro Unterstützung meiner Mutter die Hälfte der Bafög-Schulden meiner Schwester sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, jetzt indirekt mit meinem Gewinn die Hälfte ihrer Bafög-Schulden abzuzahlen. Damit kann ich leben.
Warum bin ich dem Geld meiner Mutter gegenüber so selbstgerecht eingestellt? Nur weil sie gesetzlich verpflichtet ist – oder war? Im Endeffekt schenkt es ihr ebenfalls die 2.500 Euro oder viel mehr fünf Monate, die sie ihre Kinder weniger finanziell unterstützen muss. Ich freue mich über die ausgelöste Kettenreaktion.
Tag 3: Wie geht es weiter?
Schon der dritte Tag Tagebuch führen ist ein Nachtrag. Nachdem ich vorgestern Abend eine sehr ehrliche Mail an meine Mutter geschickt habe, die ihr meine Sicht auf die Dinge schildern sollte – und gleichzeitig die Mitteilung war, dass ich keine weitere finanzielle Unterstützung mehr beanspruche – habe ich mich gestern erfolgreich von meinem Laptop fern gehalten.
Die Antwort meiner Mutter zeigt mir, wie sie denkt. Nachvollziehen kann ich es nicht, gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass sie meine Ansichten, abgesehen von der Anfangseuphorie, auch nicht wirklich versteht.
Dass uns die Familie wichtiger ist als Geld, darüber sind wir uns jedenfalls einig. Über die Zahlungseinstellung auch.
Darauf, dass das Grundeinkommen ein halbes Jahr später keine Diskussion ausgelöst hätte, geht sie nicht ein. Thema abgeschlossen. Hoffentlich. Ich versuche, das ungute Gefühl in meinem Bauch zu ignorieren und lege mich mit Seb in die Sonne um zu lesen.
Tag 4: Bisherige Zahlungen – ab sofort eingestellt
Ich bin nachlässiger im Tagebuch schreiben, als ich gedacht hätte. Vermutlich auch eine Gewohnheit, die sich erstmal im Alltag etablieren muss. Gestern gab es noch ein kurzes Telefonat mit meiner Mutter. Ob das Grundeinkommen denn schon Anfang des kommenden Monats käme oder ich Schwierigkeiten bekäme, wenn sie ihre Zahlungen direkt einstellte. Ich bestätige, dass ich jetzt finanziell abgesichert bin und unser weiteres Telefonat beschränkt sich auf einen kurzen Austausch darüber, wie wir Ostern verbringen.
Tag 5: Was ist unser sozialer Beitrag?
Seb und ich haben mit anderen Studierenden eine Genossenschaft gegründet. Gemeinsam wollen wir Saarbrücken für Studiumsabsolventen attraktiver machen. Beim heutigen digitalen Corona-Meeting unserer Genossenschaft kommt auch die finanzielle Not Studierender und Freischaffender zur Sprache, die durch die Krise ausgelöst wurde. Wir möchten einen sozialen Beitrag leisten, der am besten über die Krise hinaus nachwirkt und/oder weiterverfolgt werden kann.
Wie kann eine Soforthilfe aussehen? Welche solidarischen Modelle kann die Genossenschaft auf die Beine stellen und sich darüber hinaus leisten? Politisches Wirken und konkrete, lokale Projekte erscheinen in der Umsetzung realistisch.
Tag 7: Ein Weckruf aus der Uni
Ein Anruf von meinem Prof holt mich aus der Semesterferien- und Corona-Schwebe. Mit meinem Diplom habe ich mich in letzter Zeit eher peripher beschäftigt. Nach Ostern steht das nächste Planungsgespräch an. Besser ist es, dann geht es da auch mal weiter.
Warum brauche ich immer Druck und Deadlines, damit es richtig rund läuft?
Den Druck bezüglich der Arbeitssuche nach dem Studium hat das Grundeinkommen reduziert. Ob das wirklich so gut ist, wie es sich zunächst anfühlt?
Tag 9: Mit dem Ausgang d'accord
Bei Facebook hat mir eine Bekannte den Link zu meinen Tagebucheinträgen geschickt, ich hatte gar nicht mehr nachgesehen.
Neun Kommentare. Ich bin gespannt wie meine Hirngespinste aufgenommen werden und sehe: die Meinungen gehen auseinander.
Mein Gefühl zwischen richtig und falsch, Recht und Unrecht, die Orientierung verloren zu haben bezüglich des Konflikts mit meiner Mutter, scheint durch die unterschiedlichen Auffassungen bestätigt. Manchmal gibt es eben kein schwarz oder weiß. Wichtig bleibt für mich das Resultat und das zeigt, dass meine Mutter und ich normale Gespräche führen können und beide mit dem Ausgang d'accord sind.
Tag 11: Virtuelle Köpfe und reale Ziegel
Die Besprechung zu meiner Diplomarbeit ist besser gelaufen als gedacht. Drei Tage Arbeit vorab haben mich der Materie wieder näher gebracht und den Profs Angriffsfläche geboten. Das Feedback bringt neuen Input und neue Motivation.
"Die Ziegelsteine sind perfekt, um damit Wege zwischen den Beeten auf unserem Grundstück zu legen!" Foto: privat
Das für mich neue Format, alle Besprechungen über Videochats abzuhalten, hat zwar den Nachteil, dass Diskussionen wesentlich zurückhaltender stattfinden, aber auch den Vorteil, dass es zeitlich nicht so sehr ausartet. Eine erstaunlich zielgerichtete und effiziente Arbeitsweise, auch wenn es unangenehm ist, immer nur mit zweidimensionalen Köpfen zu sprechen.
Nachmittags konnten Seb und ich uns dann ganz ohne Bildschirme auf dem Dach des Nachbarhauses austoben. Beim Abdecken der alten Ziegel, die alle nach und nach in den Container geschmettert wurden, kam glücklicherweise nicht zu spät der Einfall: Die sind perfekt, um damit Wege zwischen den Beeten auf unserem Grundstück zu legen!
Ungefähr einem Drittel der Ziegel wurde so ein neues Leben geschenkt. Ich hoffe, der Ton dient nicht nur als Trittfläche, sondern zeigt sich auch als dienlich bei der Wasserspeicherung im Boden.
Tag 14: Konzepte, die das System verändern
Die Krise ist die optimale Zeit, um potenziell systemverändernde Konzepte auszuprobieren.Wann ist das Grundeinkommen dran? Und wie werden die in der aktuellen Situation als nicht systemrelevant deklarierten Solo-Selbstständigen aus dem kreativen Sektor ihre Systemrelevanz beweisen?
Tag 16: Kniefall für die Ziegel
Während sich Seb gemeinsam mit unserem Nachbarn im Kniefall übt und die lose liegenden Ziegel einbettet, setze ich mit der Nachbarin und ihren Kindern die Kartoffeln.
Im Anschluss teste ich freudig meinen neu erworbenen Rost-Radierer an meiner Drechselbank. Die Freude verfliegt schneller, als sich der Flugrost festgesetzt hat. Eine mühselige Arbeit, die wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird.
Tag 18: Ein Computersonntag
Wir sitzen uns den gesamten Tag gegenüber am Küchentisch, das Rollo auf Halbmast, um die Sonneneinstrahlung auf den Bildschirm zu minimieren. Wir recherchieren für die Erstellung eines offenen Briefs anlässlich der derzeit besonders prekären Situation Kreativer.
Welche Rolle spielen Kreative in der Gesellschaft? Was zur Hölle tun wir hier eigentlich? Ich kann zynische Tagebucheinträge verfassen, aber politische Briefe gehören nicht zu meinen Stärken. Wie gesellschaftsrelevant ist es, Gemüse im Garten anzubauen?
Tag 20: Money, Money, Money
Noch nie habe ich so viel über Geld gesprochen wie diesen Monat. Was nicht ausschließlich am Grundeinkommen liegt, sondern auch daran, dass mein angenehmes Studentenleben auf sein Ende zuschreitet.
Das zwischenzeitliche Sicherheitsbedürfnis, das mich überkommt und dazu verleitet auf dem nahegelegenen Hof nach Arbeit zu fragen, wird durch die Absage nicht befriedigt. Ich merke, wie ich unverhältnismäßig viel Zeit damit verbringe, über Eventualitäten nachzudenken, statt mich auf Konkretes zu fokussieren.
Tag 22: Verspieltes Potential?
Im praktischen Teil meiner Diplomarbeit möchte ich ein Gesellschaftsspiel konzipieren. Die Nachbesprechung meines schriftlichen Teils stellt meine Entscheidung erneut in Frage. Ob ich mein Potenzial mit einem Spiel nicht verspielen würde, wirft mein Professor ein. Der Gedanke gefällt mir – vielleicht kann ich ihn in die Spielmechanik einbauen.
Für einen Freund möchten wir zum Geburtstag einen Kuchen backen. Seb sucht ein Rezept heraus. Ich werde ermahnt, diesmal streng nach den Vorgaben zu agieren – backen ist so unglaublich unkreativ. Das Endergebnis überzeugt allerdings. Das perfekte Geschenk.
Tag 25: Verzettelt
Während ich mit einer lieben Bekannten über meine Idee fürs Diplom quatsche, wird mir zunehmend bewusst, dass eine Spielentwicklung alles andere als spielend funktioniert. Die sich in Projekten üblicherweise anbahnende Krise ist im Diplom-Projekt zwar noch nicht ganz da, klopft aber immer lauter an die Tür. Zunächst mal muss ich meine Zettel sortieren, vielleicht folgen meine Gedanken.
Tag 26: Step by Step
Ich lese eine Stellungnahme der Deutschen Kommunistischen Partei zur Exit-Debatte und stimme mit vielem überein. Außer mit dem Schluss: Soll die Antwort auf die negativen sozialen Auswirkungen des Kapitalismus wirklich der Kommunismus sein? Mein Bauchfell sträubt sich beim Gedanken an einen radikalen Systemwechsel. Zwischenlösungen müssen her, Testläufe und Evaluationen. Wie das Grundeinkommen…
Tag 29: Realitätscheck
Ich habe einen Auftrag angenommen, zusammen mit einer Freundin. Perfekt eigentlich. Der Verhandlungsverlauf und die letztliche Preisgestaltung entsprechen jedoch nicht dem, was wir veranschlagt hatten. Als unrealistisch wurde die Summe hingestellt, als nicht den üblichen Preisen entsprechend.
Im Gegensatz zu meiner Freundin genieße ich das Privileg, noch zu den gegebenen Konditionen arbeiten zu können, da ich Studentin bin und außerdem ein Grundeinkommen gewonnen habe. Bei ihr, die von ihrer Selbstständigkeit abhängig ist, sieht es ganz anders aus. Ich frage mich, in welcher Realität ich aktuell lebe und zukünftig leben möchte?
Tag 31: Steuergrauen und Kletterglück
Mein Termin mit dem Steuerberater gestaltet sich wesentlich entspannter als befürchtet. Ich bin froh, an so ein geduldiges und nettes Exemplar geraten zu sein, der die Dinge wirklich ausführlich für Nichtsblicker erklären kann.
Am Nachmittag bauen wir endlich das Hochregal bei unseren Nachbarn auf. Die nicht ausbleibenden Komplikationen wie zu kurze Schrauben und nicht in der Wand haltende Dübel verzögern den Prozess, sodass wir die Latten nicht mehr aufs Gestell montiert bekommen. Die Nachbarskinder freuen sich und verstehen das unfertige Konstrukt als Kletter-Aufforderung.
"Mein neues altes Rad, das ich von der Werkstatt abholte - 100% Steigerung!" Foto: privat
Tag 34: Flugrad
Mein neues altes Fahrrad, das ich von der Werkstatt abhole, hat die Operation gut überstanden. Die gebrochenen Speichen sind geflickt, Gangschaltung und Bremse eingestellt. Endlich habe ich mehr als drei Gänge – ein 70er-Jahre Damensportrad mit sechs Gängen! 100% Steigerung. Ich sitze zum ersten mal auf und fliege nur so über den Asphalt.
Tag 36: Ein Anflug von Struktur
Ich treffe mich mit einer Freundin in ihrem Garten, um mit ihr an meinem Spielkonzept fürs Diplom zu arbeiten. In ihren Schlagwortbündeln, die sie aus meinen Erläuterungen am Flipchart kreiert, lässt sich ein erster Anflug von Struktur erkennen. Großartig.
Am Nachmittag findet das erste Treffen bezüglich des neuen Auftrags statt. Der Bedarf an Ausstattung sowie das visuelle Gestaltungskonzept werden mit dem zukünftigen Nutzer des Raumes besprochen. Es sei das erste Mal, dass er so viel mitbestimmen könne. Ist das positiv oder sind wir unprofessionell? Vielleicht auch beides.
Tag 39: Muttertag
Während meine Mutter gerade ihren Korb aus dem Auto hievt, sieht sie mich kommen. Ihr Blick wandelt sich schnell von Verwirrung in fassungslose Freude. Wir überlegen, wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben und umarmen uns einfach trotz Corona.
Die Überraschung ist geglückt - dass ich zum Brunch bei meiner Schwester hinzukommen würde, wusste sie nicht. Die zusammengetragenen Leckereien, die wir auf dem Balkon versammeln, werden von den Katzen ausgiebig beäugt, bevor sie in unseren Bäuchen verschwinden.
Tag 45: Solarenergie
Ich weiß nicht, wo die Woche hin ist – plötzlich ist wieder Wochenende. Abgesehen von ein paar Online-Meetings, Arbeit und Diplomkrisen ist wenig passiert. Meine Augen müssen sich erst wieder daran gewöhnen, in die Ferne und nicht auf den Bildschirm zu schauen, als wir uns im Park treffen.
Ich freue mich, mal wieder analoge Zeit mit Freunden zu verbringen. Die Sonne gibt mir das Gefühl, alle nicht zustande gekommenen Kontakte bei diesem einen Treffen wieder gut machen zu wollen. Energiegeladen und euphorisch radeln wir in der Dämmerung zurück nach Hause.
Tag 48: Effizienzsteigerung
Ich nehme zum ersten Mal am Runden Tisch des Netzwerkes “Globales Lernen” teil. Das Treffen wird digital abgehalten. Dafür, dass viele Neulinge dabei sind und insgesamt fast 20 Personen teilnehmen, ist es erstaunlich gut getaktet. Der persönliche Austausch, der mit den neuen Gesichtern fehlt, läuft parallel über den Chat.Für diese Art Treffen scheint die Videokonferenz doch ein sehr effizientes Format zu sein. Ich bin gespannt, in welchen Bereichen es sich zukünftig als gängiges Mittel durchsetzen wird.
Tag 50: Vertretbare Staubsauger
Nach der wöchentlichen Putzaktion werde ich mal wieder von Niesanfällen geplagt. Meine Einstellung gegenüber Allergien ist derart, dass ich keine habe. Trotzdem scheint mir Hausstaub nicht so gut zu bekommen. Unser alter Staubsauger saugt zwar nach wie vor mit enormer Leistung – was immer gegen einen Neukauf gesprochen hat – allerdings pustet er auch einiges an Staub wieder raus.
Ich mache mir Gedanken, welche Kriterien ein vertretbarer Neukauf erfüllen müsste und ob es überhaupt noch Staubsaugervertreter gibt. Die Recherche nach beutellosen, “made in Germany”-Saugern, die allergikergeeignet sind, führt zu einem Modell für 340 Euro. Autsch.
Leonie schrieb ihr Grundeinkommens-Tagebuch jede Woche für uns fort. Die neuen Einträge ergänzten wir jeweils am Anfang des Artikels.
Die eine Seite ist, bedingungslos ein Grundeinkommen zu bekommen. Die andere ist die Frage der Solidarität. Für mich war frühzeitig klar, dass die Mutter die Zahlungen einstellen muss. Das ist das einzig richtige. Die Familie wird als Solidargemeinschaft dargestellt: Die Mutter unterstützt ihre Kinder und hat für sich selbst nur wenig Geld übrig. Frühere Absprachen (einkommensunabhängig bis Studiumsende zu finanzieren) oder rechtliche Verpflichtungen spielen in Solidargemeinschaften keine Rolle. In einem halben Jahr wäre die Situation in meinen Augen nicht gewesen, dass Leonie einfach "keine Verluste" hat. Sondern dass sie ihrerseits etwas Geld zurückfließen lassen müsste, sofern sie mehr Geld hätte als ihre Mutter. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer von einer Solidargemeinschaft profitiert, muss auch umgekehrte Rollen akzeptieren. Die Bezeichnung "bedingungslos" bezieht sich darauf, dass Leonie ungeachtet ihres Wohlstands seitens MGE Geld bekommt. Von ihrer Mutter bekommt sie das Unterstützungsgeld allerdings nicht bedingungslos, sondern verknüpft an die Bedingung, eben auch der Unterstützung zu bedürfen. Die Mutter hat es ja selbst nicht im Überfluss. Es besteht Mangel und andersseitiger Bedarf (Schwester). Ich habe mein Bafög damals selbst zurückbezahlen können, durch ein wirklich sehr sparsames Leben. Ich kam noch nicht einmal auf die Idee, meine Mutter da miteinzubinden, weil es ja meine Schulden waren. Leonies Mutter möchte aber auch hier ihren Töchtern einen möglichst komfortablen und schuldenfreien Einstieg ins Leben ermöglichen. Und lebt ihrerseits dafür sparsam. Was für eine tolle und unterstützenswerte Frau! Im Grunde sehe ich hier - aufgrund der Praxis der Mutter - einen gemeinsamen solidarischen Einkommenstopf der Familie. Leonie, ich bin ein wenig traurig, dass du das zumindest am Anfang deiner Überlegungen nicht auch so gesehen hast.
Meine Rede ist schon lange, daß 1T zuwenig sind um tatsächlich eine radikale Lebensverbesserung zu bewirken (schlimmen Job aufgeben, familiäre Abhängigkeiten beenden, tragfähige Selbstständigkeit aufbauen etc.) und 12 Monate sowieso, die gehen ja rum wie nichts. Von 6 Monaten gar nicht zu reden.
1,5 und 24 Monate fände ich eine deutlich realistischere Lösung, 1T ist für viele kaum mehr als die Miete und vielleicht noch ein paar laufende Kosten, in Großstädten sowieso.
Einen konstruktiven Vorschlag hab ich noch: Lasst doch bitte die Leute selbst entscheiden, ab wann sie das BGE beziehen wollen! Sagen wir mal in einem Zeitfenster von maximal 12 Monaten. Dann könnte man sich nämlich darauf vorbereiten und über einiges informieren, statt so reinzuschlittern wie Leonie.
Im schlimmsten Fall könnte so ein Gewinn sogar zu einem Minus im Geldbeutel führen, könnte ich mir vorstellen - und das wäre ja äußerst unbefriedigend für alle Beteiligten, gerade auch die vielen "Hörnchen"...
Vielleicht mag es auf die Familienverhältnisse ankommen, ob man gegenseitig unterstützt oder an das rein Rechtliche denkt.
Ich finde, dass Leonie durch das BGE die Möglichkeit hat sich loszueisen, die Mutter zu entlasten und zu ermöglichen, dass nun auch die Schwester von dem Geld der Mutter profitieren kann - eben wie sie es jahrelang konnte (so wie ich es herausgelesen habe).
Ich würde sagen, das BGE hat definitiv seinen Sinn: losgelöst, eigenständig und dabei noch der Familie etwas Gutes getan.
Eine Chance ohne finanzielle Abhängigkeit und schlechtes Gewissen Geld in eigene Projekte zu stecken - notfalls durch Sparen des nun übrig bleibenden, EIGENEN Geldes.
Ihr steht hier ja quasi alle irgendwie auf Leonies Seite, um es mal salopp zu formulieren. Was Ihr anscheinend überseht ist "Außerdem hätte ich dann monatlich mehr Geld zur Verfügung als sie selbst." Das bedeutet doch wohl: die Mutter ist nicht stinkreich und hat (selbst wenn es das Gesetz von ihr so verlangt) ihre Tochter mit "mittlerweile" 500 unterstützt - schon mal drüber nachgedacht, wie viel das im Monat sind? Natürlich will man für seine Kinder alles tun was möglich ist - aber wie weit soll das bitte gehen? Es liegt doch nicht an der Mutter, wenn sie so entscheidet - und sie bevorzugt ja jetzt auch keine der beiden Töchter. Es liegt am System. Und hat sie denn kein Recht auf ein gutes Leben?
Wenn Ihr eine wirklich gute und vor allem sinnige Definition des Grundeinkommens wollt - und genau das ist es, was wir brauchen - dann seht hier: https://www.change.org/p/olaf-scholz-spd-de-wir-fordern-das-bedingungslose-grundeinkommen-denn-dieweltgehörtunsallen und lest vor allem erstmal den P-Text sehr aufmerksam.
Ich finde deine bisherigen Tagebuch-Einträge toll, es fühlt sich wahnsinnig nah für ich an(vlt. weil ich eine ähnliche Situation bei mir vermuten würde).
Zu Christian (ich habe die Antwort-Funktion nicht gefunden): Sie hat nicht mehr, aber es ist Bedingungslos. mMn. ist das erstmal schon der Sinn des Grundeinkommens. Ein etwaiger Sozialhilfeempfänger (die heutigen Systeme würden ja nicht parallel zum BGE bestehen bleiben, hätte ja keinen Sinn) hätte auch nicht wirklich mehr, je nach den bisher übernommenen Mieten in einigen Städten sogar weniger. Ich finde, dass Leonies Situation sowohl zeigt, warum ein BGE für alle Sinn macht (das würde die Bafög Schulden der Schwester z.B. mehr oder weniger erübrigen, wobei Bafög z.B. für Auslandssemester mMn. erhalten bleiben sollte) und auch, dass sie am Ende mehr in der Tasche hätte als ihre Mutter (außer diese Unterstützt die Ausbildung weiter im starken Maße). Außerdem können die nächsten Monate zeigen, welche Veränderung das BGE durch seine Bedingungslosigkeit alleine erreicht. Dies wäre so nicht Möglich, wenn Leonie einfach nur mehr Geld hätte. Deshalb finde ich ihr Grundeinkommen eigentlich grade als im Sinne der Spender, genau wie ich es bei Beziehern von ALG2 so sehe. Schließlich ist die Idee ja durchaus, dass die Bedingungslosigkeit und Sicherheit den Menschen Raum gibt, nicht nur, dass sie mehr Geld haben.
Herzlichen Glückwunsch und viel Freude an der neu gewonnenen Unabhängigkeit~ 🥳🎊
Wenn ich das richtig verstanden habe und ihrer Mutter max 1800€ im Monat zur Verfügung steht hat sie mind. 100€ zusätzlicher Unterstützung geleistet als sie rechtlich verpflichtet wär. (Der angemessene Selbstbehalt liegt bei 1400€)
Wenn man nur 800€ zur Verfügung hat machen 100€ weniger einen großen Unterschied. Ohne diese wäre es vielleicht nötig gewesen einen teuren Studienkredit aufzunehmen.
(Da nicht jeder immer die Möglichkeit hat während des Studiums zu arbeiten)
Aber ich bezweifle dass das auch so kommuniziert wurde. Man will seinem Kind ja die beste Zukunftschance ermöglichen - dafür macht man gerne Abstriche bei sich selbst, unabhängig von der gesetzlichen Regelung.
Allerdings kann man natürlich als Kind auch nicht Dankbar sein für etwas von dem man nichts weiß.
Rechtlich müsste sie nur 1000€ des Gewinnes für ihren Lebensunterhalt verwenden. Sie könnte also, bei Beachtung des angemessenen Selbstbehalts, noch max. 233€ monatlich erhalten. (inkl. 204€ Kindergeld)
Daher finde ich es klasse das sie sich dazu entschieden hat darauf zu verzichten.
Man kann es als ein Dankeschön für die bisherige zusätzliche Unterstützung betrachten.
Außerdem besteht bei Unterhaltsanspruch eine Auskunftspflicht.
In der Situation nicht davon zu erzählen, wie vorgeschlagen wurde, wäre heikel.
Und auch auf menschlicher Ebene denke ich hat sie hier richtig gehandelt in dem sie davon erzählt hat.
Man kann an der Situation sehr gut sehen wie unsere aktuellen Regelungen alles andere als Bedingungslos sind.
Und wie man das persönlich vielleicht auch gar nicht unbedingt in der vollen Tragweite wahrnehmen kann - solange man diese erfüllt.
Jetzt mit Grundeinkommen ist ihre Grundversorgung und ihre Möglichkeit zu studieren gesichert.
Ich bin gespannt welche Auswirkungen die neue Freiheit haben wird.
Höchstwahrscheinlich würde ich es erstmal niemanden erzählen, wenn ich gewonnen hätte. Bekommt man Sozialleistungen, sollte man vielleicht hier nicht mitmachen. Nun gut ich als Renter habe ja schon mein "Grundeinkommen" erarbeitet. Als ich das erste Mal von einem bedingungslosen Grundeinkommen gehört habe, vor ca 15 Jahren, hat es mich sofort überzeugt. Vermögende können ihr Eigentum behalten, jeder würde es bekommen. D. h. nicht, dass dann für den einzelnen mehr Geld zur Verfügung stehen wird, als mit den jetzigen Sozialleistungen, aber das Geld ist eben dann bedingslos, heißt, mein Gespartes darf ich behalten. Wir hatten auch zwei Kinder, eines konnte für eine Lehrausbildung nicht bei uns wohnen, wir haben die Wohnkosten übernommen. Das Kind war mit seinem geringen Lehrlingsgeld für alle anderen Ausgaben verantwortlich. Leider bekommt es jetzt auch nur Mindestlohn, doch damit kommt es klar, denn es ist sparsam leben gewöhnt. Das andere Kind hat studiert und mußte Bafög beantragen. Wir haben aber dem Kind das Kindergeld übertragen, d.h. das Kind hat auch während einer auswärtigen Schulausbildung schon das Kindergeld erhalten, wir zahlten nur die Wohnkosten. Wegen unserer eigenen finanziellen Situation konnten wir nicht noch mehr unterstützen. Das Kind hat bereits das Bafög selbst zurückgezahlt. Grundeinkommen bringt eine minimale finanzielle Absicherung, ohne Antragstellung z. B. für Bafög und das Gute, es muß nicht zurückgezahlt werden.
Naja, Ihre Mutter klingt nicht besonders wohlhabend. Sie sollten froh sein, dass Sie sich an diesem Punkt in Ihrem Leben nicht auf ihre Unterstützung verlassen müssen.
Ich kann ehrlich gesagt beide Seiten irgendwie verstehen. Man hätte den Gewinn erstmal überdenken können - dann hätte die Tochter der Mutter vielleicht nicht davon erzählt... Ehrlich währt aber am längsten!!! So gänzlich bedingungslos zugute kommt das bge eben auch wieder nur denen, die keine andere - nicht bedingungslose Hilfeleistung - beziehen. Ich selbst bin alleinerziehende Mama und fange jetzt eine TZ-Umschulung an. Ich beziehe also weiterhin leider nur Leistungen in Höhe des ALG2. Mit bge würde auch alles gegengerechnet werden und ich hätte ehrlich gesagt nicht mehr dadurch. Vielleicht ganz minimal. Wäre ich bereits in Arbeit, dann käme das bge oben drauf. Aber, aber..... irgendwas ist ja immer.
Von meiner Sicht aus hat die Mutter nachvollziehbar reagiert.
Von Leonies 820€ im Monat kommen 500€ von ihrer Mutter. 1000€ Grundeinkommen dazu entspricht einem Bruttoeinkommen von ca. 2750€.
Wenn Leonies Mutter dann weniger Geld als Leonie hätte, und davon sogar mit 500€ ihre zweite Tochter unterstützen möchte, dann liegen Mutter und Leonie jetzt einkommensmäßig gleichauf.
Für mich bedeutet Grundeinkommen auch, wie Leonie ja ebenfalls geschrieben hat, anderen keine Rechenschaft schuldig sein zu müssen, und genau das ist hier passiert. Ein Grundeinkommen hat Auswirkungen auf drei Personen gehabt, von denen zwei hat nicht gewonnen hatten. Ihr müsstet und ihre Schwester können jetzt ebenfalls besser über die Runden, und auch Leonie bleiben unterm Strich 500€ mehr.
Zeitgleich liest es sich so, als wäre sie nur Seb in einer WG/Partnerschaft, ihre Mutter Alleinerziehend. Ihr Haushaltseinkommen liegt also wahrscheinlich nochmal höher.
Unter solchen Umständen hätte man es vielleicht nicht erzählen sollen das man das bedingungslose Grundeinkommen gewonnen hat. Ich finde es nicht so gut das man mehr oder weniger dafür bestraft wird von der Familie. Aber vielleicht sehe ich das ja auch falsch. Es ist halt meine Meinung.
Hallo Leonie, aus der Sicht einer Mutter zweier ebenfalls Studierender „teurer“ Kinder möchte ich Dich darin bestärken, dass Du und nicht Deine Mutter im Recht bist . Wenn sie vielleicht durch corona selbst in Finanznot ist , sollte Deine Mutter ehrlich kommunizieren und Dich nicht manipulativ unter Druck setzen Mutter oder Schwester finanziell zu entlasten .Sie hätte Dich fragen können, ob es zB in Ordnung wäre, dass sie Dir etwas weniger aber nicht gar nichts mehr bezahlt. Ich finde es grundsätzlich richtig , das man sich innerhalb einer Familie hilft , aber - abgesehen von klaren Verpflichtungen - doch bitte freiwillig. Lass Dir die Freude am verbliebenen halben Gewinn bitte nicht verderben. Liebe Grüße
Ich denke Dein Tagebuch beschreibt sehr gut, warum ein Grundeinkommen nur funktioniert, wenn es jeder bekommt und jeder verstanden hat warum er es bekommt.
Die Personen, die Dein bedingungsloses Grundeinkommen gespendet haben könnten jetzt enttäuscht sein, weil das Grundeinkommen, nicht so wirkt wie eigentlich gedacht. In Deinem Fall verteilt sich der Gewinn quasi auf viele Köpfe, es haben alle Deine Familienmitglieder irgendwie mitgewonnen. Auch wenn es nicht Deine Entscheidung war. Pro Kopf ist es zu wenig, damit auch nur ein einziger am eigenen Leib erfahren kann, was die Spender ausdrücken wollten: Du bist gewollt, wir erkennen Dich an, wir vertrauen auf Dich und wir möchten, dass es dir am kulturellen Mindeststandards nicht mangelt. Ohne das wir Bedingungen daran knüpfen.
Du hast jetzt vielleicht nicht mehr als vorher, aber das, was Du jetzt hast wurde Dir bedingungslos gegeben. Du musstest dafür keine Voraussetzungen erfüllen und keinen Erwartungen gerecht werden. Ich verurteile Deine Mutter nicht und ich hoffe, dass Du es auch nicht tust.
Mit Ihrem Verhalten hat Sie, den Zweck des Gewinns, also Grundeinkommen erlebbar zu machen, sabotiert. Damit nimmt Sie Dir eine wünschenswerte Erfahrung. Das ein Gewinn sich auf diese Weise verflüchtigen kann, wissen wir Spender. Das Risiko gehen wir ein.
Ich hoffe, dass Sich für Dich auch ohne Extrageld dieses sonderbar-neues Gefühl einstellt: das Dir unbekannte Personen soviel Geld ohne Bedingungen gespendet haben.
Das Projekt gibt Dir auch ohne Extrageld eine wunderschöne Möglichkeit die Personen in Deiner Umgebung ganz neu zu entdecken, quasi tief in Ihre Köpfe zu schauen und Ihre Weltansichten ggf. sogar für eine neue Möglichkeit zu öffnen. Du wirst selbst viel dabei lernen. Viel Spaß dabei.
Danke, Leonie, dass Du Dich so zeigst und uns mitteilst, was Dir alles durch den Kopf geht. Ich habe es nicht so verstanden, wie Thilo, dass Dir Deine Mutter das Grundeinkommen nicht gönnt. Ihre gefolgerten Schlüsse finde ich nachvollziehbar und soweit ich das beurteilen kann, auch gerecht. Klar bist Du erstmal ent-täuscht, wenn Du andere Erwartungen hattest. Trotzdem bleibt das Grundeinkommen, das Du jetzt beziehst bedingungslos ;) Und genau das ist es, was es so toll macht, selbst wenn dadurch Leistungen (die eben sonst nie so richtig bedingungslos sind) gekürzt werden. Du gewinnst mehr, als Dir vll jetzt bewusst ist.
Wie soll das bedingungslose Grundeinkommen jemals Realität werden, wenn es selbst innerhalb der Familie nicht gegönnt wird? Wenn sofort gegen gerechnet und Unterstützung gekürzt wird. Ich denke es wird noch lange dauern, bis die kalte Logik des derzeitigen "Sozialstaates" aus den Köpfen verschwunden ist. Leider.
Die eine Seite ist, bedingungslos ein Grundeinkommen zu bekommen. Die andere ist die Frage der Solidarität. Für mich war frühzeitig klar, dass die Mutter die Zahlungen einstellen muss. Das ist das einzig richtige. Die Familie wird als Solidargemeinschaft dargestellt: Die Mutter unterstützt ihre Kinder und hat für sich selbst nur wenig Geld übrig. Frühere Absprachen (einkommensunabhängig bis Studiumsende zu finanzieren) oder rechtliche Verpflichtungen spielen in Solidargemeinschaften keine Rolle. In einem halben Jahr wäre die Situation in meinen Augen nicht gewesen, dass Leonie einfach "keine Verluste" hat. Sondern dass sie ihrerseits etwas Geld zurückfließen lassen müsste, sofern sie mehr Geld hätte als ihre Mutter. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer von einer Solidargemeinschaft profitiert, muss auch umgekehrte Rollen akzeptieren. Die Bezeichnung "bedingungslos" bezieht sich darauf, dass Leonie ungeachtet ihres Wohlstands seitens MGE Geld bekommt. Von ihrer Mutter bekommt sie das Unterstützungsgeld allerdings nicht bedingungslos, sondern verknüpft an die Bedingung, eben auch der Unterstützung zu bedürfen. Die Mutter hat es ja selbst nicht im Überfluss. Es besteht Mangel und andersseitiger Bedarf (Schwester). Ich habe mein Bafög damals selbst zurückbezahlen können, durch ein wirklich sehr sparsames Leben. Ich kam noch nicht einmal auf die Idee, meine Mutter da miteinzubinden, weil es ja meine Schulden waren. Leonies Mutter möchte aber auch hier ihren Töchtern einen möglichst komfortablen und schuldenfreien Einstieg ins Leben ermöglichen. Und lebt ihrerseits dafür sparsam. Was für eine tolle und unterstützenswerte Frau! Im Grunde sehe ich hier - aufgrund der Praxis der Mutter - einen gemeinsamen solidarischen Einkommenstopf der Familie. Leonie, ich bin ein wenig traurig, dass du das zumindest am Anfang deiner Überlegungen nicht auch so gesehen hast.