Steuern werden oft als notwendiges Übel betrachtet. Doch was, wenn sie der Schlüssel zu einem echten Ausgleich wären? In Mimis tiefgehender Analyse zeigt sie uns, wie eine Neuausrichtung unseres Steuersystems den einzig realistischen Weg zum Grundeinkommen ebnet.
Miriam Witz aka. Mimi holt beruflich Utopien in die Realität – und ist deshalb bei Mein Grundeinkommen auch genau dafür verantwortlich. Sie findet, dass es für unsere Verlosung an der Zeit ist, den nächsten Schritt zu gehen und erwachsen zu werden. Mimis Hobbys sind Steuersysteme, Aufmerksamkeitsökonomie und Käfer.
“Du möchtest deine Steuererklärung selber machen und dir dabei unnötigen Aufwand sparen?” Mithilfe eines YouTubers namens “FinanzNerd” werde ich gleich herausfinden, ob ich meine Abgaben auch in diesem Jahr wieder richtig gemacht habe.
So läuft das jedes Jahr: Bei jeder Steuererklärung finde ich mich auf YouTube wieder, um mir Erklärungen zu komplexen Begriffen anzuhören. Es ist für mich kaum überraschend, dass 50% der steuerpflichtigen Bürger*innen keine machen. Auch insgesamt ist das Thema Steuern für viele Menschen ein eher ärgerliches.
Wahlen werden ja oft mit Versprechen von Steuersenkungen gewonnen – so hat es zum Beispiel die FDP das vorletzte Mal ins Regierungsbüro geschafft. Aber wurden die Steuern eigentlich jemals wirklich gesenkt? Christian, wo bleibt unser Geld?
Noch provokanter ausgedrückt: Ich arbeite hart für mein Geld (und meine Arbeit ist im Vergleich mit der von beispielsweise Pflegepersonal, Reinigungskräften oder Erzieher*innen sogar noch verhältnismäßig wenig zehrend). Gleichzeitig fließen meine gezahlten Steuern in sinnlose Großprojekte wie Flughäfen, die selbst ein Grundschulkind besser geplant hätte.
Wenn ich dann noch höre, dass Kapital (das ja nicht mal zur Arbeit fahren muss und nur für sich selbst arbeitet) weniger Steuern zahlt als ich, verliere ich schon manchmal die Lust am Steuern zahlen.
Die versteckte Schönheit der Steuern
Wenn es dir auch so geht, wird dich das Folgende womöglich zunächst einmal erschrecken: Grundeinkommen bedeutet eine Steuererhöhung. Allerdings nur für die obersten 10%. Und selbst bei diesen steigt der effektive Steuersatz durchschnittlich lediglich um bescheidene 5%.
Für alle anderen Bürger*innen resultiert das Grundeinkommen sogar in einer echten Steuersenkung! Und das bedeutet vor allem auch: Es ist nicht mehr Geld im System, es wird nur anders verteilt. Klingt widersprüchlich? Liegt am Steuersystem. Ich versuche mich also mal an einer Erklärung.
Für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens schlagen wir deshalb einen Einheitssteuersatz auf jegliche Art von Einkommen vor. Progressiv (also sich steigernd) wird dieser dann zusammen mit der Auszahlung des Grundeinkommens, welches dabei selbst aber unversteuert bleibt.
Das Positive an der negativen Einkommensteuer, oder: Grundeinkommen ist trotz höherer Steuern eine Steuersenkung
Das BGE stellt sicher, dass niemand mit weniger als 1.200 Euro im Monat auskommen muss – da erzähle ich dir ja wahrscheinlich nichts Neues. Aber es geht dabei nicht darum, einfach nur das Einkommen jedes*r Einzelnen auf diesen Betrag aufzustocken: Um finanzielle Sicherheit zu gewährleisten (und auch, damit niemand erst viel beantragen muss und es keinen schwerfälligen Apparat zur Prüfung und Genehmigung dieser Anträge braucht), wird diese Summe flächendeckend am Monatsanfang ausgezahlt.
Soweit, so gut. Der etwas kniffligere Teil: Nicht alle behalten den vollen Betrag von 1.200 Euro. Wie viel von diesem Grundeinkommen ein Mensch tatsächlich behält, hängt vom eigenen Einkommen ab und ist deshalb dynamisch. Dieses System ermöglicht es den meisten Menschen, einen Teil des Grundeinkommens zu behalten und gleichzeitig für die Steuern aufzukommen, die zur Finanzierung dieses Modells erforderlich sind.
Vereinfacht ausgedrückt: Je nach Einkommen behältst du unterschiedlich viel von den 1.200 Euro, die dir am Monatsanfang ausgezahlt werden. Das Grundeinkommen stellt also sicher, dass zunächst ein angemessener Betrag an alle gezahlt wird und anschließend durch Steuern wieder ein Ausgleich geschaffen wird – mir geht’s besser, dir geht’s besser, allen geht’s besser!
Anrechnen vs. verrechnen - wo ist da der Unterschied?
Durch die beschriebene Einkommensteuer von 50% auf alle Arten von Einkommen vergrößern wir die Besteuerungsgrundlage. Und dadurch ist fast das ganze Geld bereits da, das die Auszahlung von Grundeinkommen an alle am Anfang des Monats ermöglicht. Da wir alle weiterhin Steuern zahlen, zahlen wir auch fast alle (zumindest einen Teil) des Grundeinkommens zurück an den Staat. Nur deswegen ist es überhaupt finanzierbar - und dazu auch gerecht!
Grundeinkommen ist kein zusätzliches Geld für alle. Tatsächlich ist ein Großteil des finanziellen Aspekts eine Frage der Anrechnung. Das bedeutet, dass obwohl das Grundeinkommen am Monatsanfang Geld in die Hände der Menschen legt, dieses Geld größtenteils durch die von uns gezahlten Steuern wieder zurückfließt.
So gesehen kostet diese Anrechnung den Staat nicht wirklich mehr Geld als das heutige Sozialsystem. Aber das System wird deutlich einfacher, da nicht erst geprüft werden muss, wer wie viel Geld braucht – sondern anders herum, wer wie viel behält.
Das Grundeinkommen ist finanzierbar, indem vorhandenes Geld anders verteilt wird und sehr reiche Menschen ein klein wenig mehr beitragen.
Tröpfchenbewässerung statt Gießkanne
Zu abstrakt? Stell dir Steuern bei Grundeinkommen als eine Waage vor, auf der sich negative und positive Beträge gegenseitig ausbalancieren.
Nehmen wir das Beispiel von eBay Kleinanzeigen: Ich kaufe ein Buch übers Gärtnern für 4 Euro. Mit dem Buch kommt die Rechnung, auf der sind zwar 8 Euro verbucht, doch im Kuvert beigelegt sind wieder 4 Euro.
Die Idee dahinter: Das Geld wird wie durch eine Bewässerungsanlage und nicht mit der Gießkanne verteilt. Dadurch sickert es nur dorthin, wo es wirklich gebraucht wird. Denn wie Pflanzen, die unterschiedlich viel Wasser speichern, brauchen auch manche Menschen weniger Unterstützung, während andere mehr benötigen. So können wir vermeiden, dass wir Pflanzen zunächst bewusst vertrocknen lassen, um dann einen Nachweis zu fordern, dass sie vertrocknet sind – und ihnen erst dann (oft viel zu spät) ausreichend Wasser zu geben, um überleben zu können.
Jetzt aber Butter bei die Fische: Wie würde der denn nun am Ende wirklich aussehen, dieser Mix aus Steuern und Grundeinkommen? Hier mal ein kleines Rechenbeispiel.
Als erwachsener Mensch beziehst du, wie alle anderen Erwachsenen auch, am Monatsanfang 1.200 Euro Grundeinkommen. Zusätzlich hast du ein Arbeitseinkommen von beispielsweise 1.600 Euro. Auf dieses wird, wie auf alle anderen Arbeitseinkommen auch, eine einheitliche Einkommensteuer von 50% erhoben – es bleiben dir davon also de facto 800 Euro.
Sagen wir, du hast außerdem ein Kind. Das macht zusammen – Grundeinkommen, Arbeitseinkommen (abzüglich Steuer) und 600 Euro “Kindergrundeinkommen” – also 2.600 Euro für dich und deinen Nachwuchs.
Soweit also zu den Auswirkungen auf das Individuum. Wenn wir bei der Einführung des Grundeinkommen so vorgehen, wie ich es dir hier beschrieben habe, dann haben wir das Grundeinkommen fast finanziert. Aber eben nur fast.
Und so gilt es, eine Lücke zu schließen – eine 100 Milliarden Euro große Finanzierungslücke. Also ist der Traum vom Grundeinkommen schon wieder ausgeträumt? Ganz und gar nicht. Nur: Dafür braucht es tatsächlich dann neue Steuern.
Dabei führen viele Wege zu unterschiedlichen Grundeinkommen, die aber alle eins gemein haben: Sie gleichen unser Steuersystem aus. Extreme Armut und extremer Reichtum wären dann nicht mehr möglich. Dazwischen gäbe es, auf lange Sicht, natürlich noch eine Menge Raum für Verbesserung.
Deshalb ist das BGE kein Allheilmittel für sämtliche Herausforderungen, die unser kapitalistisches Wirtschaftssystem für uns als Land bedeutet. Aber es ist eben ein sehr guter Anfang und eine Möglichkeit, vielen gesellschaftlichen Übeln bereits heute ein Ende zu bereiten.
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