Reiche profitieren – und der Rest zahlt drauf? Unser Steuersystem ist ungerecht. Dabei wären Steuern eigentlich der Schlüssel für echte Umverteilung, wenn das politisch auch so gewollt wäre. Mareice Kaiser fragt sich diesmal: Warum fällt es eigentlich so schwer, Steuern gerecht zu gestalten?
Es gibt ein paar Wörter, bei denen ich direkt schlechte Laune bekomme, wenn ich sie höre. Steuererklärung ist eines von ihnen. Ich möchte mich direkt ins Bett legen, die Decke über meinen Kopf ziehen und nichts mehr hören und sehen, bis das an mir vorbeigegangen ist. Klappt aber leider nie.
Es gibt aber einen kleinen Trick, mit dem die ganze Sache leichter zu ertragen ist. Leichter, nicht leicht, das ist wichtig. Denn leicht wird es einer in Deutschland rund um Steuern ja nun wirklich nicht gemacht.
Ich wusste ganz lange nicht, was Steuern eigentlich sind. Ich wusste, ich muss diese Erklärung machen und Geld zahlen und wenn ich das nicht mache, habe ich ein Problem, zum Beispiel eine Kontopfändung. Aber ich habe mich mit dem Thema viel zu lange nicht richtig auseinandergesetzt und mich lieber ins Bett gelegt, mit Decke über dem Kopf.
Foto: Fabian Melber
Wer spricht hier?
Mareice Kaiser ist Bestseller-Autorin und Journalistin. Als Arbeiterkind ohne Studium ist sie die Ausnahme in einem Beruf, in dem die allermeisten einen Uni-Abschluss haben. Mareice kämpft für eine Gesellschaft, in der wir nicht auf Glück angewiesen sind, um ein gutes, würdevolles Leben zu führen. Ihr aktuelles Buch "Wie viel" erzählt entlang acht persönlicher Porträts, wie Geld unser Leben bestimmt – und wie ungerecht es verteilt ist.
Heute weiß ich: Steuern sorgen dafür, dass unsere Kinder in die Schule gehen können. Steuern sorgen dafür, dass die Feuerwehr kommt, wenn du sie brauchst. Steuern sorgen dafür, dass du Kindergeld bekommst und Arbeitslosengeld und eine Rente.
Steuern sorgen dafür, dass wir uns im Sommer in Parks und Schwimmbäder legen können. Steuern sorgen dafür, dass wir uns Bücher in Bibliotheken ausleihen können. Und gleichzeitig denke ich: Das läuft im Moment auf keinen Fall optimal.
In Deutschland gibt es trotz hoher Steuereinnahmen massive Investitionsstaus, zum Beispiel im Bildungssystem oder bei der Digitalisierung. Kein Wunder, dass Steuern so verschrien sind, wenn Menschen das Gefühl bekommen, ihre Steuern würden verschwendet – wie zum Beispiel bei der Planung eines Flughafens, den selbst ich effizienter hätte bauen können.
Ich finde, wir sollten den Überreichen viel, viel mehr Geld abknöpfen. Denn klar ist: Unser Steuersystem nützt vor allem den Reichen. Es gibt Sonderregelungen, Ausnahmen und Subventionen, die Großkonzernen oder den Reichsten zugutekommen.
Während also in Talkshows und im Bundestag über Nullrunden und Sanktionen beim Bürgergeld diskutiert wird, würde ich angesichts knapper Kassen und Sondervermögen doch eher mal schauen, wo es wirklich was zu holen gibt und diejenigen zur Kasse bitten, die sich nicht an unserem Gemeinwesen beteiligen.
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Ja, da bin ich mir sicher: Es geht besser. Doch auch wenn wir Verbesserungen im Steuersystem brauchen – ohne Steuern hätten wir noch weniger soziale Gerechtigkeit.
Steuern sind ein Instrument für sozial gerechte Umverteilung. Und ich liebe Umverteilung! Das ist mein Trick: Immer, wenn ich genervt von meiner Steuerberaterin oder vom Finanzamt oder meiner Steuererklärung oder mir selbst bin, versuche ich daran zu denken: Steuern sind Umverteilung. Dann geht das mit der Steuererklärung ein bisschen einfacher.
Was es noch einfacher für mich machen würde: Wenn wir mitbestimmen könnten, wohin unsere Steuergelder gehen. Zum Beispiel eine Liste zum Ankreuzen, wofür das Geld hauptsächlich eingesetzt werden soll – lieber für die Parks oder lieber für die Kitas? Wenn ich konkreter wüsste, wohin mein Steuergeld geht, würde ich noch lieber Steuern zahlen.
Mareice hat noch mehr zu sagen
Einmal im Monat teilt Mareice Kaiser in einem Gastkommentar ihre Sicht auf aktuelle politische Debatten mit uns. Alle Folgen findest du hier:
Was denkst du: Sind Steuern für dich notwendiges Übel oder Werkzeug für mehr Gerechtigkeit? Wir sind neugierig auf deine Gedanken – unten in den Kommentaren!
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