Christianeist 69 Jahre alt und wohnt in Oranienburg. Ihre Rente beträgt knapp 1.000 Euro, davon kann sie gut leben. Seit über sechs Jahren ist sie bei Mein Grundeinkommen angemeldet. Unsere Kollegin Malina hat mit ihr gesprochen.
Plötzlich schrillt nachts der Pieper. Christiane zieht sich an und fährt los in die Dunkelheit. Sie weiß nicht, was auf sie zukommt: Da ist dieser Unsicherheitsmoment. Meistens ist ein Mensch verstorben.
Seit fast einem Jahr arbeitet Christiane ehrenamtlich für die Notfallseelsorge in Oranienburg, Brandenburg. Notfallseelsorger*innen bieten Betroffenen in psychischen Ausnahmesituationen Begleitung und vermitteln gegebenenfalls weitere Hilfe.
Christiane kann es sich finanziell leisten, dieses Ehrenamt auszufüllen, obwohl ihre Rente mit knapp 1.000 Euro nicht besonders hoch ist. Aber das müsse man relativieren, meint Christiane: “Ich besitze ein Haus, da muss ich schonmal keine Miete zahlen.” Außerdem hätten sich bei ihr im Leben als Rentnerin die Gewohnheiten geändert: “Ich muss nicht mehr im Arbeitskostümchen rumlaufen und dafür Geld ausgeben, muss nicht mehr jeden Tag bis zu 150 Kilometer irgendwo hinfahren und nicht mehr täglich in irgendeiner Kantine essen.”
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Christiane studiert Mathematik. Sie erzählt: “Mit der Wende habe ich mich mit einer IT-Firma selbständig gemacht.” Sie verkauft und betreut Software für Pflegeeinrichtungen – und das bundesweit. Geld verdient sie damit sehr unregelmäßig. Es gibt Zeiten, “da war es nicht dicke – da hatte ich fünf Angestellte, und hab’ das Geld für sie verdient. Für mich selber blieb nicht viel übrig.” Es gibt aber auch gute Monate, in denen Christiane bis zu 5.000 Euro verdient.
2006, da ist sie 52 Jahre alt, hat Christiane ein Burnout. Sie muss sich eine Auszeit nehmen. Christiane wickelt die Firma ab und findet sich schließlich in einem Angestelltenverhältnis wieder. Es beruhigt sie, dass der Lohn – im Gegensatz zu ihrer Selbstständigkeit – nun sicher regelmäßig kommt. Das gefällt ihr auch an der Rente: Es ist ein Einkommen, auf das Verlass ist.
“Es macht den Kopf frei, wenn am Monatsende sicher Geld reinkommt”, meint Christiane. Das wäre auch mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen so. Man könne dann mehr von dem tun, was einen erfüllt. “Ich denke, dass der Mensch kreativer und aktiver sein kann, als es mit Existenzängsten der Fall ist.” Das hätte laut Christiane auch einen positiven Effekt auf die berufliche Tätigkeit. Wenn mehr Raum für kreative Auszeiten da wäre, würde das auch zu höherer Leistungsfähigkeit im Beruf motivieren.
Christiane empfindet ihr Ehrenamt in der Notfallseelsorge als sehr erfüllend: “Oft wird mir eine große Dankbarkeit von den Betroffenen entgegengebracht”, erzählt sie gerührt. Neben ihrer Rufbereitschaft für die Notfallbegleitung ist Christiane auch ehrenamtliche Seelsorgerin im Altenheim. Sie besucht die Bewohner*innen, schenkt ihnen ein aufmerksames Ohr. Auch diese Besuche bringen ihr viel Freude: “Es gibt da eine alte Dame, schwer dement, immer wenn ich ihre Zimmertür öffne, geht die Sonne auf.”
Jeden Mittwoch ist Enkelkindertag. Es ist schön für Christiane, wenn die Kinder “gerne hier sind und alles Mögliche mit mir machen wollen.” Auch betreut Christiane regelmäßig drei Patenkinder, sie machen zusammen Hausaufgaben und Christiane gibt Mathematik-Nachhilfe.
Wenn Christiane ein Grundeinkommen bekommen würde, hätte sie monatlich 700 Euro mehr im Portemonnaie. Damit würde sie ihr Leben nicht verändern wollen, aber sie könnte sich dann einen gewissen “Luxus” leisten, wie sie sagt. Luxus wäre für sie, den Patenkindern größere Geschenke machen zu können oder ein kleines Gewächshaus für ihren Garten.
Christiane resümiert mit Blick auf ihren vollen Terminkalender: “Ich kann jetzt verstehen, dass es immer heißt: Rentner haben niemals Zeit.” Ihr Leben als Rentnerin so vielseitig auszugestalten, war eine bewusste Entscheidung von Christiane: "Es wird immer gesagt, die jungen Leute müssen Verantwortung tragen. Ich finde, die Alten müssen das genauso.” Sie möchte von ihren Erfahrungen, die sie im Laufe ihrer 70 Jahre sammeln konnte, etwas zurückgeben.
Noch bevor wir weiter plaudern können, geht es für Christiane zu ihrer nächsten Verabredung: Eines ihrer Patenkinder hat heute Geburtstag, sie wird eine selbstgebackene Schwarzwälder Kirschtorte mitbringen und hofft, dass sie in der Zeit keinen Bereitschaftsanruf der Notfallseelsorge bekommt.
Welches Ehrenamt würdest du gerne übernehmen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest? Oder hast du schon ein Ehrenamt? Erzähl es uns in den Kommentaren!
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