Wer heute jung ist, hat oft ganz andere Sorgen als Erwachsene. Kann ich meinen Führerschein bezahlen? Werde ich mir mal eine eigene Wohnung leisten können? Sophie ist 14 Jahre alt, als sie das Grundeinkommen gewinnt. Seitdem blickt sie mit weniger Sorgen in ihre finanzielle Zukunft. Ihr Papa Martin sagt: Alle Jugendlichen bräuchten dringend diesen Freiraum. Ein Besuch in Thüringen.
Erst Wetterzeube, dann der Bedarfshalt Wolfsgefährth, zuletzt Pößneck: In der kleinen Stadt im Osten von Thüringen steigen wir aus dem Regionalzug aus. Die Wege sind hier überschaubar. Zu Fuß brauchen wir nur zehn Minuten, um bei Sophie und ihrem Papa Martin anzukommen.
Wir treffen uns in der Praxis von Sophies Mutter. Es ist früher Nachmittag, Sophie kommt gerade aus der Schule. Dass die 14-Jährige an diesem Tag einen kompletten Schultag hinter sich hat, ist nicht selbstverständlich. "Es gab so viel Ausfall in den letzten Wochen und Monaten. Teilweise sind wirklich ganze Tage Unterricht weggefallen", berichtet uns Sophie. Und ergänzt: "Im Moment ist das natürlich schön für uns Schüler, aber wenn man auf die Zukunft blickt, ist das einfach nicht gut."
"Mein kleiner Bruder hat mich gefragt, ob ich mit ihm teilen würde. Da hab ich erstmal 'Ja' gesagt." Sophie (14) aus Pößneck hat im letzten August ein Grundeinkommen gewonnen. Fotos: Marco Heinig
Martin ist theoretisch schon lange Verfechter eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Seit gut einem halben Jahr kann er dieses Grundeinkommen in der Realität erleben: Sophie hat in unserer August-Verlosung gewonnen. Bis zum Gewinn wusste sie gar nicht, dass sie über das Profil ihres Vaters angemeldet war. Sie erinnert sich noch gut an den Moment, als sie davon erfuhr: "Erst wollte ich’s natürlich nicht glauben. Als ich es dann realisiert habe, bin ich erstmal ‘ne Runde durch den Garten gerannt."
So richtig geändert hat der Gewinn noch nichts in Sophies Leben, zumindest bis jetzt. Aber ihre Zukunft wird mit dem Grundeinkommen für sie greifbarer, erzählt sie. Sophie wünscht sich schon lange, dass sie mobiler sein kann. Sie möchte unbedingt den Führerschein ab 17 machen. "Ich habe viele Freunde, die nicht hier wohnen", erzählt sie. Am Wochenende fahren zu den umliegenden Dörfern gar keine Busse, in der Woche oft nur einer am Tag.
Den Wunsch nach einem Führerschein kann Martin nur zu gut nachvollziehen. Auch er ist in Pößneck aufgewachsen: "Als ich jung war, hatten wir genau die gleiche Problematik wie heute: schlechter öffentlicher Nahverkehr. Oft fährt der letzte Bus schon um 17 Uhr. Wenn man bis 20 Uhr bleiben wollte, verschenkt man drei gemeinsame Stunden."
Ich hatte Sorgen, wie ich in Zukunft eine Wohnung und Ähnliches überhaupt finanzieren kann. Das Grundeinkommen hat mir viel Sicherheit gegeben.
Sophie (14)über Zukunftsängste – und wie das Grundeinkommen gegen sie hilft
Sophie fragte sich schon lange, wo das Geld für den Führerschein herkommen soll: "Auch hatte ich Sorgen, wie ich in Zukunft eine Wohnung und Ähnliches überhaupt finanzieren kann." Jetzt ist sie erleichtert: "Das Grundeinkommen hat mir viel Sicherheit gegeben."
So optimistisch Sophie in die Zukunft schaut, was das Finanzielle angeht – so sehr macht ihr die vergangene Wahl Angst: "Die Ergebnisse haben mich teilweise schockiert. Aber wenn man betrachtet, wer da alles wählen kann und dass es erst ab 18 ist, dann hat das schon Sinn ergeben. Ich habe viel Angst davor, was passieren wird."
Zukunftsängste, aber auch viel Zuversicht
"Das ist natürlich unschön", sagt Martin, als er von Sophies Zukunftsängsten hört. Er möchte seine Tochter beruhigen: "Am Ende wird es nicht so schlimm kommen." Woher nimmt er seine Zuversicht? Er sieht ein wachsendes politisches Bewusstsein bei jungen Menschen, nicht nur bei seiner Tochter. "Wenn ich da an meine eigene Jugend denke..." In den letzten Jahren sieht Martin einen Trend, dass immer mehr Menschen "ihre Stimme nutzen und basisdemokratische Projekte anstoßen."
"In Vollzeit ehrenamtlich": Martin schafft Freiräume für Jugendliche aus Pößneck in Thüringen. Fotos: Marco Heinig
Auch Martin selbst engagiert sich in einem zivilgesellschaftlichen Projekt: Der gemeinnützige Verein Pößneck Alternativer Freiraumbietet Jugendlichen Räume und Gestaltungsmöglichkeiten. Hier können junge Menschen in einer Werkstatt Siebdruck ausprobieren, Sportgeräte und den Musikraum nutzen. Im Hinterhof finden regelmäßig Konzerte statt.
Martin ist seit acht Jahren im Verein. Aufgrund einer Niereninsuffizienz kann der ehemalige Vorarbeiter in einer Baufirma keiner Erwerbsarbeit mehr nachgehen. Seine Zeit steckt er nun "in Vollzeit ehrenamtlich" in das Projekt, wie er selbst sagt. Martin ist sich sicher, dass ein Grundeinkommen für alle mehr Freiraum schaffen könne – generell und auch ganz konkret in seinem Verein Freiraum. Menschen könnten sich stärker einbringen, ohne dadurch in Nöte durch Lohnausfall zu kommen.
Sophie hat im letzten Jahr gerne viel Zeit im Freiraum verbracht. Jetzt sei aber gerade viel für die Schule zu tun, sagt sie. Sie möchte Medizin studieren, wahrscheinlich mit einer Spezialisierung zur Kinder-Kardiologin. Als wir uns verabschieden, wünschen wir ihr viel Glück dafür. So wie wir Sophie kennenlernen durften, sind wir uns aber einig, dass sie das gar nicht brauchen wird.
Was denkst du? Hast du oder deine Kinder ähnliche Sorgen und Hoffnungen wie Sophie und ihr Vater Martin? Was würde ein Grundeinkommen in deinem Leben ändern? Schreib es uns in die Kommentare!
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