Warum sollten sich reiche Menschen für ein Grundeinkommen, also eine Umverteilung von Vermögen, einsetzen? Stefanie Bremer (31) ist Millionenerbin und tut genau das. Im Interview mit Kirsten verrät sie uns, wieso.
Stefanie, du bist Millionenerbin und für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Warum unterstützt du die Idee?
Stefanie: Es liegt daran, dass ich ein großes Gerechtigkeitsbewusstsein hab, gepaart vermutlich mit ein bisschen Selbsterhaltungstrieb. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann bin ich Teil von fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung, die über irgendwas um die 60 Prozent des gesamten Vermögens verfügen. Und wenn ich mir dann die Geschichte anschaue, sind die, die als erstes dran sind, wenn es der Gesellschaft schlecht geht, genau diese Vermögenden. Also ist es absolut in meinem Interesse, dass es der Gesellschaft besser geht.
Außerdem habe ich nur geerbt. Ich hatte das Glück in die richtige Familie geboren zu werden und habe deswegen das Leben mit dem goldenen Löffel im Mund. Das finde ich absolut ungerecht. Deswegen bin ich dafür, dass alle Menschen zum Beispiel durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen die gleichen Möglichkeiten oder zumindest ähnliche Möglichkeiten bekommen.
Wenn es heißt, du bist Millionärin, von wie viel Vermögen reden wir da?
Stefanie: Man sagt, mein Vermögen beträgt um die zehn Millionen Euro. Das heißt nicht, dass ich zehn Millionen auf dem Konto habe, sondern dass mir unter anderem Unternehmensanteile oder das Haus, in dem ich wohne, gehören.
In unserer neuen SerieDas Themabeleuchten wir diesmalDie soziale Spaltung. Wie sehr bestimmen Armut oder Reichtum unser Leben – und können wir diese Spaltung irgendwie überwinden? Diskutiere mit undabonniere unseren Newsletter, um nichts zu verpassen.
Was hast du mit deinem Millionenerbe bisher gemacht? Wo hast du dein Geld investiert?
Stefanie: Ich bin Stifterin in der Bewegungsstiftung. Dort sind wir mittlerweile etwa 200 Vermögende, die ihr Geld geben für progressive Bewegungen, für Projekte, die sich für diese Gesellschaft einsetzen.
Außerdem haben meine Mutter und ich zusammen ein altes Haus und Wohnungen renoviert und vermieten diese zu einem Preis unterhalb des mittleren Mietspiegels. Da wollen wir auch noch mehr ausbauen.
Wir haben hier in der Gegend auch ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble gekauft, das wir renovieren und das ein Dorftreffpunkt werden soll, wo dann Menschen einerseits in einem alten Backhaus backen und lernen können und das gleichzeitig auch als Veranstaltungsort dienen soll.
Du bist ja mit deinen Ansichten sehr progressiv. Unterstützt deine Familie deine Einstellungen und was du tust?
Stefanie: Meine erweiterte Familie ist eher sehr zurückhaltend. Die sind auch der Ansicht, dass der Staat nicht der Richtige ist, um das Geld zu verteilen. Das mag in dem jetzigen Zustand auch so sein – und es ist wahrscheinlich nicht damit getan, wenn wir einfach mehr Steuern zahlen. Es sollte zum Beispiel auch den Tatbestand der Steuerverschwendung geben und die betreffenden politischen Persönlichkeiten sollten auch dafür zur Haftung gezogen werden.
In meiner Kernfamilie reden wir über sowas schon mehr. Aber ich bin schon die progressivste und die aktivste, würde ich sagen.
Nimmt deine Familie es dir denn nicht krumm – nach dem Motto „unserer Hände Arbeit, unserer Hände Vermögen gibst du jetzt einfach an andere Menschen“?
Stefanie: Das ist wieder ein Symptom eines anderen Problems in Deutschland: Über Geld redet man nicht, auch nicht in der Familie. Ich weiß es also nicht so richtig. Ich weiß nur von einem Familienmitglied, der findet, dass wir als Einzelpersonen besser geeignet sind, das Geld zu verteilen als der Staat. Da kann ich sagen: vielleicht – aber wollen wir andererseits ein Land sein, in dem Individuen über die Geldverteilung bestimmen? Oder wollen wir nicht doch eine Demokratie sein, in der die Mehrheit, an der sich alle beteiligen können, darüber entscheidet, wo das Geld hingeht?
Stefanie ist nicht allein
Antonis Schwarz gehört wie Stefanie Bremer einer neuen, progressiveren Generation Wohlhabender an. Auch er spricht sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen und Vermögensabgaben aus. Der Unternehmer ist Teil der “Millionaires for Humanity”, einer Gruppe Vermögender, die eine höhere Besteuerung für sich selbst fordern. Erst kürzlich leistete Schwarz eine Parteispende von 500.000 Euro an Die Grünen.
Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet ja irgendeine Form der Umverteilung, über Steuern zum Beispiel. Hast du einen Favoriten, mit welcher Steuer wir in Deutschland Vermögen umverteilen sollten?
Stefanie: Ja, es sollte eigentlich gerne eine Vermögenssteuer sein. Es sollte ein Angleichen oder eine Neudefinition geben, was Einkommen ist. Einkommen aus Kapital, also sogenanntes leistungsloses Einkommen, wird beispielsweise ganz anders versteuert als etwa Arbeitseinkommen.
Das finde ich absolut ungerecht. Beides bevorzugt Vermögende noch mehr, weil das Vermögen ja häufig auch in monetären Anlagestrukturen steckt. Wenn wir dann aus den Gewinnen auch noch weniger Steuern zahlen, werden wir ja noch reicher und das Geld ist noch mehr bei weniger Leuten konzentriert.
Ansonsten müssen wir auch über die Frage „Welche Steuern nehmen wir?“ hinausdenken. Man muss auch unser gesamtes Wirtschaftssystem in Frage stellen. Es kann nicht sein, dass wir die Umwelt ausbeuten, die Menschen ausbeuten, nur um den Gewinn hochzutreiben. Es kann nicht sein, dass jedwedes Unternehmen nur darüber definiert und bewertet wird, wie viel finanziellen Gewinn es macht. Es wird nicht bewertet, wie viel Ausbildung man liefert, wie viel Umwelt man zerstört, wie viel man zum Gemeinwohl beiträgt. Das muss sich ändern und dazu möchte ich beitragen.
Menschen, die in Deutschland den Spitzensteuersatz zahlen, bekämen ja bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen am Ende trotzdem „nur“, sagen wir, 1.200 Euro, wenn ihnen etwas passiert. Warum sollten diese Menschen für ein Grundeinkommen sein?
Stefanie: Hab ich als Vermögende denn mehr getan, um das mehr zu verdienen? Was macht mich denn zu einem besseren Menschen als meine 5.000 Nachbarn? Bin ich denn eine Klasse höher, dass ich mehr verdiene?
Jedem steht es doch bei einem Grundeinkommen frei, über die eigene Arbeitsleistung dazuzuverdienen. Aber jeder hat zumindest erstmal einen Grundstein, mit dem er ein einigermaßen sicheres Leben anfangen kann, mit dem man nicht morgens aufwacht und denkt: Verdammt, wie finanziere ich die nächsten drei Tage, Wohnung, Essen, Gesundheit?
Grundeinkommen gibt jedem Menschen den gleichen Wert. Klar, wir haben auch heute Sozialleistungen, aber damit einhergehend auch Stigmatisierungen. Wenn wir aber sagen: Es ist völlig egal, ob du gerade arbeitest oder nicht, du kriegst dieses Grundeinkommen, dann findet auch hoffentlich keine Bewertung mehr statt.
Das tut ja auch wahnsinnig viel für das Selbstbewusstsein aller Menschen. Außerdem zahlen doch die Gering- und Mittelverdiener prozentual deutlich mehr Steuern als wir Vermögenden. Deswegen ist das ein sehr kurz gedachtes Argument.
Woran fällt dir die soziale Spaltung in Deutschland am stärksten auf?
Stefanie: Ich glaube, soziale Spaltung kann man an dem Trend sehen, dass in einer Familie beide Elternteile arbeiten gehen müssen, weil ein Job nicht mehr ausreicht. Soziale Spaltung lässt sich auch daran erkennen, dass für viele ein sehr großer Anteil des persönlichen Einkommens als Miete entfällt. Während Wohlhabendere häufig in Eigentum wohnen. Soziale Spaltung zeigt sich sicherlich auch darüber, dass Menschen aus geringverdienenden Haushalten und Nichtakademikerhaushalten deutlich seltener Akademiker oder Gutverdienende werden als Menschen aus Akademiker- oder gutverdienenden Haushalten.
Was glaubst du, wäre für uns als Gesellschaft der größte Hebel, dieser Spaltung beizukommen?
Stefanie: Ein großer Hebel kann sicherlich ein Bedingungsloses Grundeinkommen sein, weil es Menschen auf die gleiche Grundlage stellt. Und darüber hinaus: Eine Verringerung der Vermögensungleichheit durch eine Vermögensbesteuerung oder gesetzliche Vorgaben, so dass in einem Unternehmen die Einkommensspanne nicht mehr als Faktor zehn oder Faktor 25 sein darf – also derjenige, der am meisten verdient, maximal zehnmal so viel verdient wie derjenige, der „ganz unten“ ist. Dazu bräuchte es allerdings einen sehr fokussierten politischen Willen und den sehe ich momentan leider nicht.
Wenn du dir deine Utopie bauen könntest, wie das Geld in unserer Gesellschaft umverteilt wird, wie würdest du es machen?
Stefanie: Die ideale Utopie ist, dass jeder gleich viel hat, das kriegen wir nicht hin. Was wir aber schaffen können ist, dass das Geld stärker in der Mitte ankommt und die Armutsquote sinkt. Ich finde es nicht gerechtfertigt, wenn jemand 5.000 Euro am Tag zur Verfügung hat. Soviel Konsum tut auch unserer Umwelt nicht gut. Klar, es gibt immer Ausnahmen, wenn jemand schwer krank ist, und Investitionen sind natürlich auch wichtig. Aber für den privaten Konsum ist das viel zu viel.
Zunächst sollte es also das Grundeinkommen geben, finanziert zum Beispiel aus einer Vermögenssteuer oder sogar einer Vermögensabgabe. Dann müssen umweltschädliche Praktiken, vor allem in Unternehmen, stärker besteuert werden. Schäden, die der Umwelt zugefügt werden, werden einfach nicht eingepreist – und umgekehrt auch nicht, wenn der Umwelt etwas Gutes getan wird.
Das Wohlergehen eines Landes wird zudem immer noch über das Bruttoinlandsprodukt abgebildet und das ist so engstirnig. In Bhutan haben sie einen Bruttonationalglück-Index. Da wird danach bewertet, wie glücklich die Menschen sind. Das finde ich einen viel viel besseren Indikator.
Es muss auch irgendwo abgebildet werden: „Wie geht es eigentlich unserer Bevölkerung?“ und nicht nur „Wie geht's unserer Wirtschaft?“
Was denkst du? Sollten alle Menschen ein Bedingungsloses Grundeinkommen mitfinanzieren – oder nur wohlhabende wie Stefanie? In unserer Umfrage zu Das Thema: Die soziale Spaltung zählt deine Meinung. Oder schreib sie uns hier in die Kommentare. Danke, dass du mitmachst!
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