Wer die absurden Vermögen der Reichsten kritisiert, gilt schnell als neidisch. Christian Neuhäuser widerspricht: Die Vermögensungleichheit schadet uns allen! Im Interview verrät der Philosoph vier Folgen extremen Reichtums.
Am 13. März wird Prof. Dr. Christian Neuhäuser zu Gast in unserer nächsten Verlosung sein. Vorab haben wir ihm schon mal unsere drängendsten Fragen zu Reichtum und der moralischen Verantwortung der Vermögendsten gestellt:
Christian Neuhäuser, ab wann ist man zu reich?
Christian Neuhäuser: Reich ist man, wenn man deutlich mehr Geld besitzt, als man für ein Leben in Würde braucht. Meiner Einschätzung nach ist das bereits bei Menschen mit mehr als dem Zwei- oder Dreifachen des Durchschnittseinkommens der Fall.
Zu reich ist man, wenn dieser Reichtum im direkten Zusammenhang mit erheblichen Schädigungen steht. Was das in Zahlen bedeutet, muss man sich kontextabhängig anschauen. Bei einem Jahreseinkommen in Millionenhöhe und einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Euro ist der Fall aber klar.
Ist Reichsein denn schlimm? Inwiefern schadet uns Reichtum?
Christian Neuhäuser: Da fallen mir direkt vier Schädigungen ein: Erstens kann Reichtum genutzt werden, um die Demokratie auszuhöhlen – zum Beispiel durch einseitigen Lobbyismus oder mehr oder weniger direkten Ämterkauf.
Zweitens trägt der Konsum reicher Menschen erheblich zu Klimawandel und Umweltverschmutzung bei.
Drittens könnte Reichtum eigentlich genutzt werden, um sehr rasch große Übel wie absolute Armut oder die Folgen extremer Wetterereignisse zu beseitigen. Wird er aber nicht – zum Schaden aller.
Und viertens kann Reichtum auch die Selbstachtung von Menschen als gleichrangige Gesellschaftsmitglieder verletzen. Dann nämlich, wenn mit Reichtum steile Hierarchien in Sachen Status aufgebaut werden.
Denken Sie an eine bestimmte Person? Wer ist zu reich und hat mit dem eigenen Reichtum schon Schaden angerichtet?
Christian Neuhäuser: Ich möchte mich nicht so gern auf einzelne Personen fokussieren. Reichtum ist ein Strukturproblem, ähnlich wie Armut. Natürlich gibt es einzelne sehr reiche Menschen, die erheblichen Schaden anrichten, weil sie sich Ämter erschleichen oder ihre Macht für rechte Hetze nutzen.
Das zentrale Problem ist aber, dass die Gruppe der Reichen sich sehr leicht in Institutionen und Interessenverbänden zusammenschließen. Sie können dann ihre gemeinsame wirtschaftliche Macht nutzen, um erhebliche politische Macht zu entwickeln. Das ist undemokratisch.
Wie reich sind Sie eigentlich selbst? Und was haben Ihnen Ihre Eltern in Bezug auf Geld beigebracht?
Christian Neuhäuser: Gängigen Definitionen nach bin ich schwach einkommensreich, aber aufgrund meiner Herkunft nicht vermögensreich und werde es zum Glück auch nie sein. Meine in weiten Teilen alleinerziehende Mutter hat mir beigebracht, dass Einkommen und Vermögen relativ gleich verteilt sein sollten, weil sie das Leben sehr viel leichter machen und vor den großen Härten des Lebens schützen können. Für ein gutes Leben zentral sind jedoch andere Werte, so habe ich es gelernt.
Wie kann Geld in Deutschland gleicher verteilt werden?
Christian Neuhäuser: Wir brauchen auf jeden Fall eine stark ansteigende Erbschaftsteuer und eine Vermögensteuer. Außerdem sollte die Einkommensteuer umstrukturiert werden: Niedrige und mittlere Einkommen sollten entlastet und hohe Einkommen zusätzlich belastet werden. Dann spiegeln die Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch viel besser den tatsächlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand wider.
Früher waren Sie ein Kritiker des Bedingungslosen Grundeinkommens. Jetzt sehen Sie es positiv. Woher der Sinneswandel?
Christian Neuhäuser: Ich denke nach wie vor, dass es ein Recht auf gute Arbeit gibt. Für viele Menschen ist die Arbeit eine zentrale Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe und das wird auch so bleiben. Ich hatte lange Sorge, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen diese wichtige Diskussion verdrängt.
Jetzt bin ich aber optimistischer, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen eher dazu führt, dass mehr Menschen sinnvoller und erfüllender Arbeit nachgehen können. Dafür sprechen drei Gründe: Erstens gibt es sehr viel Arbeit, beispielsweise im Bereich der Kultur, die besser nicht durchökonomisiert wird. Zweitens stärkt ein Bedingungsloses Grundeinkommen die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmer*innen, was zu besseren Arbeitsbedingungen führen kann. Drittens können und werden Menschen ein Bedingungsloses Grundeinkommen nutzen, um sich weiterzubilden und weiter zu qualifizieren.
Grundeinkommen aus Vermögenssteuer? Das geht!
In unserem Rechner kannst du selbst der Staat sein, der ein Grundeinkommen für alle einführt. Ein Weg dahin führt über die Vermögenssteuer. Probiere es einfach mal aus!
Was denkst du? Kannst du die Schäden nachvollziehen, die Christian Neuhäuser dem extremen Reichtum zuschreibt? Welche anderen siehst du noch? Mach mit bei unserer Vermögens-Umfrage oder schreibe es uns hier in die Kommentare!
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