Wenn einem soziale Gerechtigkeit wichtig ist, könnte man nach dieser Wahl an der Politik verzweifeln. Oder man macht es wie Mareice Kaiser: Unsere Kolumnistin sucht im Wahlergebnis nach einem kleinen Lichtblick. Und findet ihn dort, wo kaum jemand damit gerechnet hat.
Die Bundestagswahl ist vorbei – das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Jede fünfte abgegebene Stimme ging an eine rechtsextreme, menschenfeindliche Partei. In diesem Kommentar soll es aber um einen kleinen Hoffnungsschimmer gehen.
Zwei Parteien haben damit zu tun: Die FDP und Die Linke. Beide machen mir Hoffnung. Die eine, weil sie sich verabschieden muss. Und die andere, weil sie etwas gezeigt hat, das wichtig ist: Statt über Migration zu reden, hat Die Linke über soziale Fragen gesprochen. Mieten, Lebensmittelpreise, Alters- und Kinderarmut. Offensichtlich gibt es Menschen, die das interessiert.
Der Mann, der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass die Kindergrundsicherung nicht kommt, muss jetzt gehen. Abgewählt wurde dabei auch der Neoliberalismus, zumindest der in seiner Partei. Abgewählt wurde das FDP-Gefasel über "Leistung" und "man muss sich nur anstrengen". Abgewählt wurde ein Steuerprogramm, das reiche Menschen noch reicher macht. Immerhin dieses Steuerprogramm.
Foto: Fabian Melber
Wer spricht hier?
Mareice Kaiser ist Bestseller-Autorin und Journalistin. Als Arbeiterkind ohne Studium ist sie die Ausnahme in einem Beruf, in dem die allermeisten einen Uni-Abschluss haben. Mareice kämpft für eine Gesellschaft, in der wir nicht auf Glück angewiesen sind, um ein gutes, würdevolles Leben zu führen. Ihr aktuelles Buch "Wie viel" erzählt entlang acht persönlicher Porträts, wie Geld unser Leben bestimmt – und wie ungerecht es verteilt ist.
Andere Parteien haben damit Stimmen gesammelt, zum Beispiel die AfD. Wobei die Entscheidung der Wähler*innen für diese Partei wohl eher durch das Thema Migration bestimmt wurde und weniger durch das Steuerprogramm.
Das Ergebnis der AfD ist erschreckend und alarmierend. Diese Partei bei über 20 Prozent, das darf nicht normalisiert werden. Und gleichzeitig ist wichtig, auch nach Hoffnung zu suchen. Ich finde sie in den Umfragen unter jungen Menschen. Ich finde sie im Erfolg der Linken, die einen Wahlkampf mit dem Thema soziale Gerechtigkeit gemacht hat – weit weg von populistischen Migrationsdebatten.
Es gibt Menschen, die sich solidarisch für andere Menschen einsetzen wollen. "Wir treten nicht nach unten, um Probleme zu lösen", sagt Bodo Ramelow diese Woche im Deutschlandfunk. Während Friedrich Merz nicht müde wurde, es zu tun. Stichwort: Bürgergeldempfänger*innen.
Mareice hat noch mehr zu sagen
Einmal im Monat teilt Mareice Kaiser in einem Gastkommentar ihre Sicht auf aktuelle politische Debatten mit uns. Alle Folgen findest du hier:
Es gibt Menschen, die die AfD nicht gewählt haben. Es gibt Menschen, die keine Fake-Migrationsdebatten führen wollen. Es gibt Menschen, die soziale Gerechtigkeit wollen. Diese Menschen geben mir Hoffnung. Und Hoffnung werden wir brauchen.
Übrigens: Ja, Politik ist das, was vor allem Männer da im Bundestag machen. Aber Politik ist noch viel mehr. Zum Beispiel, sich umzuschauen und zu sehen, was man selbst ändern kann. Am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, im eigenen Bezirk. Politisches Engagement wird in den kommenden vier Jahren nochmal wichtiger, als es eh schon ist. Vor allem von denen, die es sich leisten können.
Denn das muss auch klar sein: Nicht alle Menschen haben gleich viel Kapazitäten dafür. Nicht für alle Menschen ist gesellschaftliches Engagement ungefährlich. Gerade weil das so ist, wird es umso wichtiger, dass wir etwas tun. Hoffnung muss man selber machen.
Was denkst du? Welches Gefühl überwiegt bei dir nach dieser Bundestagswahl? Schreib es uns unten in die Kommentare!
Das könnte dir auch gefallen
Wem geht's nach der Bundestagswahl wirklich besser?