Die Kanzlerkandidat*innen wetteifern darum, wer härter abschieben kann. Während Armutsbetroffene nicht wissen, wovon sie ihren Lebensmitteleinkauf bezahlen sollen. Mareice Kaiser fragt sich: Welche Parteien wollen Geld neu verteilen – und an wen?
Es ist Bundestagswahl und alle reden über Migration. So haben sich Olaf Scholz und Friedrich Merz im sogenannten Kanzler-Duell einen Wettkampf geliefert zur Frage: Wer kann besser und härter und schneller abschieben? Ich möchte dagegen, dass wir mehr über Geld reden – weil ich ein gutes Leben für alle will und keine geschlossenen Grenzen. Die wären das Gegenteil von einem guten Leben für alle.
Ein gutes Leben für alle – die Basis dafür ist, genug Geld zu haben. Denn wir leben im Kapitalismus und da dreht sich (leider) alles um Geld. Deshalb habe ich mir angeschaut, wie die Parteien dafür sorgen wollen, dass alle Menschen genügend Geld für ein gutes Leben haben. Zum Beispiel du oder deine Chefin oder deren Putzkraft. Und: Wollen die Parteien das überhaupt, ein gutes Leben für alle? Oder wollen sie es vielleicht eher für wenige?
Foto: Fabian Melber
Wer spricht hier?
Mareice Kaiser ist Bestseller-Autorin und Journalistin. Als Arbeiterkind ohne Studium ist sie die Ausnahme in einem Beruf, in dem die allermeisten einen Uni-Abschluss haben. Mareice kämpft für eine Gesellschaft, in der wir nicht auf Glück angewiesen sind, um ein gutes, würdevolles Leben zu führen. Ihr aktuelles Buch "Wie viel" erzählt entlang acht persönlicher Porträts, wie Geld unser Leben bestimmt – und wie ungerecht es verteilt ist.
Die FDP würde dir 1.379 Euro mehr lassen. Bei der Linken hättest du 2.378 Euro mehr. Zu den anderen Parteien kommen wir später.
Wenn dein Einkommen dagegen zwischen 150.000 und 250.000 Euro liegt – erstmal herzlichen Glückwunsch, da hast du wohl in der Geburtslotterie gewonnen und der Kapitalismus arbeitet für dich – dann lässt dir die FDP fette 11.543 Euro mehr.
Mit den Plänen der Linken hättest du 3.547 Euro weniger – dafür gäbe es mehr Geld für die Allgemeinheit, also Steuern. Von diesem Geld können dann zum Beispiel Schwimmbäder und Parks instand gehalten werden, Bibliotheken und Schulen.
Wenn die FDP also von steuerlichen Entlastungen spricht, meint sie vor allem die Entlastung von Gutverdiener*innen und denen, die noch mehr haben: den Reichen und sogar Überreichen. Während Die Linke umverteilen will – von den Reichen und Überreichen zu denen, die das Geld wirklich brauchen.
Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat aus den Versprechungen der Parteien in ihren Wahlprogrammen Zahlen gemacht und ausgerechnet, was sie genau für verschiedene Einkommensstufen wollen. Entstanden ist ein guter Realitätscheck der Partei-Forderungen.
Man sieht auf den ersten Blick: FDP, Union und AFD wollen dich reicher machen, wenn du schon reich bist. Bei der SPD, den Grünen, beim BSW und der Linken zahlst du Steuern, die mehr werden, je mehr du verdienst. Die Linke ist übrigens die einzige Partei, die Tax the Rich (zu Deutsch: "Besteuert die Reichen") beherzt in die Tat umsetzen will.
Statt Migrationsfragen sollte diese Frage die Wahl entscheiden: Wie kann es Menschen besser gehen? Und zwar allen und nicht bloß denen, denen es eh schon gut geht. Dafür brauchen wir mehr Verteilungsgerechtigkeit und eine Beschäftigung mit den wirklich wichtigen Fragen.
So blickt ein Ex-Multimillionär auf unsere Sozialpolitik:
Statt die Scheindebatte über Migration zu führen, könnten wir darüber sprechen, wie Geld verteilt werden soll. Damit Menschen – zum Beispiel auch Menschen im Bürgergeldbezug – bis zum Monatsende genug zu essen haben.
Wir können natürlich über Migration sprechen – aber wenn wir das tun, sollten wir es menschlich tun. Solidarisch und ausgerichtet an unserem Grundgesetz. Und mit dem Wissen, dass es nicht allen besser gehen wird, wenn es einigen schlechter gehen wird.
Ich denke in den letzten Tagen oft an ein Video der österreichischen Autorin Toxische Pommes. Der Titel lautet: "FPÖ Wähler, nachdem Sozialleistungen nicht nur für Ausländer gekürzt wurden, sondern auch für sie". Keine Pointe.
Mareice hat noch mehr zu sagen
Einmal im Monat teilt Mareice Kaiser in einem Gastkommentar ihre Sicht auf aktuelle politische Debatten mit uns. Alle Folgen findest du hier: