Mehr Spenden für den guten Zweck, mehr Unterstützung für das eigene soziale Umfeld: Das Pilotprojekt zeigt, dass Menschen mit einem Grundeinkommen mehr teilen. Und zwar deutlich mehr. Was die Teilnehmenden sonst noch mit ihrem Geld anstellen, verraten sie dir hier selbst.
"Ich bin Schalke-Fan. Wenn ich im Stadion bin, dann hole ich für den Kumpel auch ‘ne Currywurst", erzählt uns Dominic (29) aus Waldeck, einem beschaulichen Ort in Hessen. Er ist nicht nur begeisterter Fußballfan, sondern auch einer der Teilnehmenden am Pilotprojekt Grundeinkommen.
"Das fühlt sich richtig schön an!" Dominic benutzte sein Grundeinkommen auch, um seine Familie öfter zum Essen einzuladen. Foto: T. Seifert
Wie Dominic bekamen insgesamt 122 Menschen über drei Jahre monatlich 1.200 Euro ausgezahlt, ohne Gegenleistung. Ihnen stand eine Kontrollgruppe von 1.580 Menschen gegenüber, die kein Grundeinkommen erhielten. Die Forschenden konnten so vergleichen: Was macht es aus, ein Grundeinkommen zu haben?
In Dominics Leben hat das Grundeinkommen viel verändert. Der Rettungssanitäter ist entspannter geworden und ja, auch glücklicher. Er nahm sich mehr Zeit für sich, fand einen Ausgleich zu seinem fordernden Berufsalltag. Und er lud seine Freund*innen öfter ein – auch und gerne mal zu einer Currywurst.
Mit Grundeinkommen teilen wir mehr als doppelt so viel Geld mit unseren Nächsten als ohne.
"G" wie großzügig kommt von Grundeinkommen
Dominic ist nicht der Einzige, der sein Umfeld an seinem Grundeinkommen teilhaben lässt. Auch Studienteilnehmerin Samira sagt, dass sie Freund*innen häufiger einlädt und diejenigen finanziell unterstützt, denen es gerade nicht so gut geht.
Sind Dominic und Samira Einzelbeispiele? Einfach sehr großherzige Menschen? Wir haben die beiden in der Tat als sehr freundliche, liebevolle Menschen kennenlernen dürfen. Ihre Großzügigkeit spiegelt aber gleichzeitig ein Phänomen wider, das die Pilotstudie bei den meisten Teilnehmenden beobachten konnte: Mit Grundeinkommen unterstützen Menschen ihr soziales Umfeld stärker. Und zwar deutlich: Im Schnitt geben Menschen mit Grundeinkommen monatlich doppelt so viel für die Unterstützung von Freund*innen und Familie aus wie Menschen ohne Grundeinkommen.
Mit Grundeinkommen spenden wir mehr als doppelt so viel Geld für gute Zwecke als ohne.
"G" wie guter Zweck kommt auch von Grundeinkommen
Vielleicht denkst du jetzt: Der eigenen Schwester, dem Vater oder seiner besten Freundin zu helfen, ist doch nichtverwunderlich, Blut ist schließlich dicker als Wasser. Die Forschenden fanden aber auch heraus: Menschen mit Grundeinkommen unterstützen nicht nur ihre Nächsten, sondern geben auch deutlich mehr an Menschen ab, die sie nicht kennen.
Im Pilotprojekt füllten die Teilnehmenden regelmäßig Fragebögen aus. Darin diese Frage zur Spendenbereitschaft: "Wie viel Geld spenden Sie monatlich für soziale, kirchliche oder gemeinnützige Zwecke?" Das Ergebnis: Im Schnitt spenden Menschen mit Grundeinkommen monatlich 28 Euro für den guten Zweck. Auch das ist doppelt so viel wie bei den Teilnehmenden in der Vergleichsgruppe ohne Grundeinkommen.
Zusätzlich führten die Forschenden ein Experiment durch: Den Menschen mit Grundeinkommen und den Menschen aus der Kontrollgruppe wurden einmalig je 100 Euro in die Hand gedrückt. Sie konnten selbst entscheiden, wie viel sie davon an wohltätige Zwecke spenden und wie viel sie für sich behalten wollten.
"Da sehen wir durch die Bank: Leute mit einem Grundeinkommen sind bereit, von den 100 Euro sehr viel mehr zu spenden, als die Leute, die kein Grundeinkommen zur Verfügung haben", verkündet die Verhaltenspsychologin Prof. Dr. Susann Fiedler das Ergebnis des 100-Euro-Experiments.
Die Superkraft des Grundeinkommens heißt Solidarität
Halten wir fest: Die Superkraft des Grundeinkommens heißt Solidarität. Erstaunlich: Die Teilnehmenden des Pilotprojekts spenden auch nach der letzten Auszahlung des Grundeinkommens deutlich mehr und unterstützen weiterhin ihr soziales Umfeld stärker als die Vergleichsgruppe. Der solidarische Effekt des Grundeinkommens bleibt.
Klara Simon aus dem Team von Mein Grundeinkommen beschreibt dieses solidarische Handeln als "selbstgemachte Umverteilung". Sie hat dieses Verhalten schon bei unseren Crowdhörnchen beobachtet, obwohl die noch gar kein Grundeinkommen erhalten, sondern immer die Grundeinkommen unserer nächsten Verlosung finanzieren. Die Crowdhörnchen "glauben an die Idee der sozialen Gerechtigkeit und praktizieren sie jeden Monat mit ihrer Spende", sagte Klara mit großer Dankbarkeit bei der letzten Verlosung am 1. Mai.
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"Das erste große, was ich mir davon gekauft habe, war eine gebrauchte Waschmaschine"
Natürlich geben Menschen mit Grundeinkommen nicht ihr ganzes bedingungsloses Geld an Andere ab. Was passiert also mit dem Rest?
Gerade am Anfang gaben die Teilnehmenden einen Großteil ihres Grundeinkommens schlicht aus. "Konsumstau" nennt das die Forscherin Susann Fiedler. Das beschreibt die Beobachtung, dass Menschen Konsumwünsche aufstauen – Dinge, die sie sich gerne kaufen wollten, für die aber nie Geld da war. Mit ihrem ersten Grundeinkommen konnten sich die Teilnehmenden plötzlich diese Wünsche erfüllen.
Auch Sarah (44) aus Berlin machte mit ihrem Grundeinkommen erstmal eine große Anschaffung. Kurz nach der ersten Auszahlung hält sie unerwartet einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Von jetzt auf gleich ändert sich ihr ganzes Leben.
Als Sarah ihr erstes Grundeinkommen bekommt, denkt sie: "Ich muss was ganz Spezielles damit machen." Dann entscheidet sie sich aus guten Gründen doch für eine Waschmaschine. Foto: T. Seifert
Am Anfang zögert sie noch, aber dann gibt auch Sarah ihr Grundeinkommen erst einmal aus – für Dinge, die sie als werdende Mutter jetzt noch dringender braucht: "Das erste große, was ich mir davon gekauft habe, war eine gebrauchte Waschmaschine, weil ich dachte: Mit Baby, das geht jetzt nicht mehr ohne."
Nach den ersten größeren Anschaffungen nimmt der Konsum bei den Menschen mit Grundeinkommen ab, bleibt aber konstant höher als in der Kontrollgruppe ohne Grundeinkommen. Was zunächst wie ein Beleg klingt, dass Grundeinkommen nur zu mehr Konsum führe, ist bei genauerem Hinsehen aber nichts weiter als eine Normalisierung: Die Teilnehmenden am Pilotprojekt konsumieren nur genauso viel wie andere Menschen, denen durch ein höheres Einkommen gleich viel Geld zur Verfügung steht.
Mit Grundeinkommen sparen wir mehr als doppelt so viel Geld als ohne.
"Ich habe mich schon in Altersarmut gesehen"
Durch die Ergebnisse der Pilotstudie haben wir endlich handfeste Daten, die zeigen, wie das Bedingungslose Grundeinkommen auf das Ausgabeverhalten von Menschen wirkt: Mit einem Grundeinkommen sparen Menschen mehr als ohne. Im Schnitt legten die Teilnehmenden mit Grundeinkommen monatlich 450 Euro mehr zurück als diejenigen in der Kontrollgruppe.
Würdest du auch mehr sparen? Seit der Vorstellung der Ergebnisse des Pilotprojekts läuft parallel unsere Umfrage für alle Menschen, die nicht Teil der Studie sein konnten: Darin wollen wir wissen: "Wenn du selbst ein Grundeinkommen hättest – was würde sich für dich wohl am stärksten verändern?" Bislang ist mit einem Drittel die häufigste Antwort: "Ich könnte Geld zurücklegen oder Schulden abbauen." (Stand 13.05.2025).
"Manche sagen, sie sparen für die finanzielle Absicherung im Alter, andere einfach für die Zukunft", berichtet Prof. Dr. Susann Fiedler aus dem Pilotprojekt. Sie kennt alle Daten der Teilnehmenden in- und auswendig, die Zahlen sind ihre Vertrauten. Die Menschen, die sich hinter den Daten verbergen, kennt sie nicht. Das ist wichtig für eine neutrale Forschung.
Wir von Mein Grundeinkommen durften hingegen einige der Teilnehmenden persönlich kennenlernen: Sarah – die, die sich für ihr erwartetes Kind als Erstes eine Waschmaschine leistete – erzählt uns von einem beruflichen Projekt, bei dem einiges schiefgelaufen sei. "Auf einmal schwebte so eine große Wolke über uns", erinnert sich die selbstständige Architektin und versucht so, ein Bild für die Angst vor den finanziellen Folgen zu finden.
Damals hatte Sarah kaum Rücklagen. Erst mit der Auszahlung des Grundeinkommens ändert sich das: "Es hat sofort dazu geführt, dass ich finanziell deutlich entspannter war. Egal, was jetzt passiert, und auch wenn’s worst case ist, es ist nicht so schlimm." Mit dem Grundeinkommen traut sich Sarah, auch ans Rentenalter zu denken.
Auch Lisa (33) aus Leipzig erzählt uns, dass sie sich schon in Altersarmut gesehen habe. Für die promovierte Biologin hat sich das mit dem Grundeinkommen grundlegend geändert.
Als Verhaltensforscherin ordnet Prof. Dr. Susann Fiedler die Handlungen der Teilnehmenden ein: "Ein Großteil des Geldes wird in Sicherheit investiert, indem sie sparen oder anlegen. Um was zu haben, was auch über das Experiment hinausgeht. Sie kaufen sich damit im Grunde Handlungsfreiräume."
Hier schließt die Forscherin den Kreis zum Anfang dieses Artikels: Solidarität wird erst möglich, wenn sich Menschen sicher fühlen. Denn wer sich keine Sorgen ums eigene (Über-)Leben machen muss, kann viel leichter mit Anderen teilen. Und das verändert dann die Welt. Vielleicht ja zum Besseren.
Was denkst du? Würdest du mit einem Grundeinkommen eher an dich selbst oder an Andere denken? Kannst du die Gedanken der Teilnehmenden über finanzielle Sicherheit und Solidarität verstehen? Schreib es uns unten in die Kommentare!
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