Vier Podcast-Episoden lang haben wir gezeigt, dass und warum das Bedingungslose Grundeinkommen eine große Chance für Veränderungen im Leben vieler Menschen bedeutet. Und doch bleiben viele Fragezeichen. Etwa: Was macht bedingungsloses Geld mit dem Innersten der Menschen, mit ihren Einstellungen? Verändern die sich, wenn sie sich finanziell sicher fühlen? Das ist eigentlich die Frage, die wir uns bei Mein Grundeinkommen seit dem ersten Tag stellen.
In der fünften Folge teilt Kirsten Herrmann aus dem Vereinsvorstand ihre Sicht auf diese Frage. Kirsten verfolgt seit vielen Jahren in den sozialen Medien, wie über das Grundeinkommen diskutiert wird. Und sie diskutiert selbst mit. Im Podcast sagt sie ganz klar: "Es gibt in unserer Welt ganz viele Herausforderungen: Klimakatastrophe, faschistische Tendenzen, Armut. Wenn jetzt das Grundeinkommen das Potenzial hat, Menschen glücklicher und selbstbestimmter zu machen, vielleicht sogar umweltbewusster und toleranter, weniger anfällig für Radikalisierung, dann [...] wäre ja das Grundeinkommen etwas, was die Welt besser machen könnte. Oder?"
Kirstens eigene Antwort beginnt so: Im sozialen Netz bekomme sie viel Feedback von Menschen, die sagen, dass "das Grundeinkommen sie toleranter gemacht hat, geduldiger und offener gegenüber anderen Menschen". Ob sich das auf die Einstellungen aller Menschen mit Grundeinkommen übertragen lässt, hat das Pilotprojekt Grundeinkommen versucht herauszufinden.
In dieser Folge unseres Podcasts Bedingungslos. Die Wahrheit über das Grundeinkommen erfährst du, welche Antworten die Forschung darauf gefunden hat:
Eine Arbeitsthese im Pilotprojekt war, dass finanziell abgesicherte Menschen nachhaltigere Konsumentscheidungen treffen: Wer Geld hat, kauft eher fair produzierte Kleidung oder Technik. Denn konsequent nachhaltig zu leben ist in den meisten Fällen teurer. Würde ein Grundeinkommen da nachhelfen? Auf jeden Fall, dachte nicht nur Kirsten am Beginn des Pilotprojekts.
Die Forschenden jedoch lesen aus den Daten eher heraus, dass die Teilnehmenden mit ihrem Grundeinkommen mehr reisen – im Einzelfall vielleicht auch mit ihrem neu gekauften Auto. Dass sie mehr Geld in ihre Freizeit investieren. Und dass der Konsum im Bereich Kleidung zunimmt. Prof. Dr. Susann Fiedler, Verhaltensforscherin und Psychologin, ordnet das ein: "Diese Effekte sind nicht riesig, aber sie sind sehr, sehr eindeutig da. Sie sind ganz am Anfang am größten, wenn das Geld sozusagen noch frisch ist. Dann später wird es ein bisschen weniger."
Mehr oder weniger oder nachhaltiger Konsum? Dominic investiert sein Grundeinkommen auch in Kleidung und Reisen. Foto: T. Seifert
Wenn du die bisherigen Podcast-Folgen gehört hast, erinnerst du dich sicher an Dominic. Er ist einer der 122 Teilnehmenden, die drei Jahre lang Grundeinkommen erhalten haben. Dominic ist quasi die Blaupause für das Konsumverhalten, das die Forschenden beobachtet haben: Er kauft sich neue Klamotten, anfangs für bis zu 300 Euro jeden Monat. Das ist mehr als der Durchschnitt von 30 Euro im Pilotprojekt. Außerdem macht Dominic im zweiten Jahr mit Grundeinkommen eine Kreuzfahrt. Zwei Wochen Karibik. Noch so eine Blaupause, diesmal die einer "Klimasünde".
Das Grundeinkommen bedeutet also auf den ersten Blick: mehr statt weniger Konsum und damit automatisch weniger Nachhaltigkeit. Das widerspricht zunächst der Hoffnung, dass bedingungslose Sicherheit Einstellungen wie Umweltbewusstsein verändert – und zwar zum Besseren. Aber es gehört eben auch zur Wahrheit, allerdings zu einer Wahrheit Einzelner. Und das ist hier entscheidend...
Kirsten aus dem Mein Grundeinkommen-Team setzt das Ganze in Perspektive: "Es braucht eine grundlegende systemische Veränderung von Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft, damit wir hier weiterkommen." Ein Grundeinkommen könne helfen, diese großen Veränderungen zu unterstützen, weil es eine direkte und schnelle Absicherung der Menschen in so einer Phase der Transformation wäre. Aber diese Debatte geht weit über das Pilotprojekt Grundeinkommen hinaus.
Anders einkaufen – aber auch anders wählen?
Wo wir gerade bei Debatten sind: Das Pilotprojekt hat auch genau hingeschaut, ob ein Grundeinkommen dazu führt, dass Menschen andere Wahlentscheidungen treffen. Das Ergebnis: Nein, tun sie nicht. Warum nicht? Die Forschenden vermuten, dass drei Jahre vielleicht nicht ausreichen, um die eigene Vorliebe für eine Partei oder ein Programm zu ändern. Möglich ist auch, dass sie das Grundeinkommen nicht mit der Politik und dem Staat verknüpfen, weil es im Rahmen des Pilotprojekts nicht von diesen, sondern von der Zivilgesellschaft ausgezahlt wurde.
Jenseits politischer Einstellungen ändert das Grundeinkommen aber vielleicht doch etwas. Vereins-Vorständin Kirsten jedenfalls hat das Gefühl, dass sich die Teilnehmenden, die sie besucht hat, über die Jahre durchaus verändert haben. Was sagen die Forschungsergebnisse dazu?
Vor allem abgefragt wurden die Dimensionen Geduld, Risiko und Prokrastination – also das chronische Aufschieben von Aufgaben. Über diese Dimensionen könnte man als Überschrift die Frage schreiben: Wie gut funktionieren wir als Menschen im Alltag? Die Vermutung dahinter: Wenn wir in all diesen Punkten gut – also geduldig und risikobereit – sind und schnell Lösungen für Probleme finden, dann geht es uns als Gesellschaft auch besser. Die Überraschung: In allen Dimensionen wurden nur wenige Veränderungen der Einstellungen gemessen.
Ich muss nicht meine politische Einstellung ändern. Ich muss nicht meine Wahrnehmung von der Welt verändern. Ich muss einfach nur die Möglichkeit bekommen, mehr Dinge zu machen, die für die Gesellschaft gut sind und dies möglichst leicht und zugänglich.
Prof. Dr. Susann Fiedlererklärt den Unterschied zwischen unveränderten Einstellungen und stark verändertem Verhalten der Teilnehmenden am Pilotprojekt
Das Pilotprojekt findet also heraus, dass Menschen mit Grundeinkommen sich selbst nicht als hilfsbereiter oder mutiger wahrnehmen – sich aber hilfsbereiter und mutiger verhalten. Das zeigen ja die Interviews mit den Teilnehmenden, die das Team drei Jahre lang regelmäßig besucht hat, sehr deutlich. Absurd, oder?
Susann Fiedler erklärt diesen Gegensatz so: "Wir brauchen nicht, dass Menschen sich ändern. Wir müssen nur Handlungsspielräume verändern, damit was anderes passiert. Ich muss nicht meine politische Einstellung ändern. Ich muss nicht meine Wahrnehmung von der Welt verändern." Es sei also gar nicht so wichtig darauf zu schauen, ob sich Menschen an sich verändern. "Ich muss einfach nur die Möglichkeit bekommen, mehr Dinge zu machen, die für die Gesellschaft gut sind und dies möglichst leicht und zugänglich."
Und dieses veränderte Verhalten? Das verändert dann die Welt.
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Nach drei Jahren Forschung wissen wir endlich, wie das Grundeinkommen wirklich wirkt. Was das Pilotprojekt Grundeinkommen herausgefunden hat:
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